Über Krise, Klassenanalyse und Programm
Erste kurze Anmerkungen zu den Vorschlägen von Karl-Heinz Roth in „Globale Krise-Globale Proletarisierung-Gegenperspektiven“

von Robet Schlosser

09/09

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Es hat mich ebenso erstaunt wie erfreut, dass Karl-Heinz Roth "Umrisse eines Übergangsprogramms" zur Diskussion stellen will, indem soziale Reform und soziale Revolution sich nicht unvermittelt gegenüberstehen. Ich teile seine Einschätzung, dass die gegenwärtige Weltwirtschaftskrise nach der Formulierung und Diskussion von Zielen sozialer Emanzipation verlangt. Ohne darauf gegründete Verständigungsprozesse wird es bei der Bedeutungslosigkeit sozialrevolutionärer Kräfte bleiben und werden die in der Krise ebenfalls frei gesetzten reaktionären Kräfte, die die Grundlagen der bürgerlichen Gesellschaft um jeden Preis erhalten oder ggf. restaurieren wollen, zu einer großen Bedrohung.

Das mir vorliegende Papier wirkt allerdings ein bisschen wie der strategische Plan eines Generals ohne Armee. Das immer wieder beschwörend angesprochene "Wir" ist und bleibt ein gespenstiges Gegenüber, das als Empfänger von Ratschlägen oder gar handlungsfähiges Subjekt faktisch nicht existiert.

"Wie sollen wir auf diese gigantische Herausforderung (der Weltwirtschaftskrise, R.S.) reagieren?" ...

"Wir sollten uns zunächst einmal nicht denjenigen anschließen, die aus linksradikaler Perspektive auf die Beschleunigung und Vertiefung der Krisendynamik setzen, weil sie sich dadurch einen automatisch in Gang kommenden revolutionären Kollektivierungsprozess aller derjenigen erwarten, die nichts mehr zu verlieren haben. Die konzeptionelle Automatik von Krise und Revolution ist spätestens seit dem Ausgang der großen Depression des vergangenen Jahrhunderts widerlegt."...

"Wir wollen verhindern, dass die Weltwirtschaftskrise in einen Weltwirtschaftskrieg der multipolaren Großmächte mit seinen Weiterungsfolgen zu neuen Großkriegen umschlägt. Wir sollten uns aber auch vor emotionsgeladenen, eschatologischen und gewaltfixierten Revolutionserwartungen in Acht nehmen, denn das proletarische Emanzipationsanliegen kann auch in einem zum Bürgerkrieg eskalierten Klassenkonflikt untergehen." 

Wer immer heute "Umrisse eines Übergangsprogramms" formuliert und zur Diskussion stellt, sollte deutlich machen, dass dieses "Wir" nur Ergebnis von Diskussion und Verständigung sein kann, wobei diese Diskussion und Verständigung nur vorankommen werden vor dem Hintergrund schärferer sozialer Auseinandersetzungn! Ein zu Beginn der Diskussion unterstelltes "Wir" verkennt und unterschätzt die tatsächliche Desorientierung, Zersplitterung und Ohnmacht der sozialrevolutionären Kräfte! Das alles wirkt eher wie ein hilfloser Apell.

Unter "5.3.5 Globale Assoziation für Autonomie" schreibt Karl-Heinz Roth:

"Nach langem Zögern habe ich mich dazu durchgerungen, eine organisatorische Vorwegnahme dieses Konzeptes (Weltföderation der Autonomie bestehend aus Rätedemokratien und Arbeiterföderationen, R.S.) durch eine weltweit vernetzte Assoziation vorzuschlagen ..."

Back to the roots! Endlich wieder angekommen im 19. Jahrhundert? Gut so! Was hier angedacht ist, ist ja wohl nichts anderes als ein Bund der KommunistInnen, eine kommunistische Internationale. Wer sonst sollte auch das "Wir" verkörpern, von dem da immer wieder die Rede ist? Damit ist aber auch zweierlei klar:

1. Dieses "Wir" existiert nicht!

2. Es muss sich erst noch zeigen, welche Kräfte überhaupt willens und fähig sind, eine solche Assoziation zu bilden. 

I. Das Kapital und seine Krise

Karl-Heinz Roth beschreibt die gegenwärtige Krise der Kapitalakkumulation über weite Strecken nachvollziehbar. Wo er sie erklärt, sind große Fragezeichen und zahlreiche Einzelkritiken angebracht. Sein theoretischer Bezugspunkt sind offenbar die Theorien der "langen Wellen", auf die ich hier aber nicht näher eingehen will. Der Konjunkturzyklus des industriellen Kapitals wird zwar erwähnt, aber nicht als die dominante Form der Bewegung des industriellen Kapitals zum Ausgangspunkt der Krisentheorie gemacht. Alle ökonomischen Gesetzmäßigkeiten des Kapitals setzen sich jedoch vermittelt über Angebot und Nachfrage und damit über den Konjunkturzyklus durch, in dessen Zentrum die Investitionstätigkeit steht. Ob es sich um die Bestimmung der Preise durch den Wert, die sich verändernde organische Zusammensetzung des Kapitals, den Fall der Profitrate usw. handelt, das Wertgesetz verschafft sich nur Geltung vermittels des Konjunkturzyklus. Erst seine Resultate bestätigen - soweit dies an Hand der bürgerlichen Zahlenmaterials empirisch möglich ist - nachvollziehbar die Wirkung des Wertgesetzes mit Bezug auf das gesellschaftliche Gesamtkapital. Zum Beispiel: im Konjunkturaufschwung ziehen Warenpreise und Profitrate allgemein an, obwohl durch die ausgedehnte Neuanlage von Kapital zu Beginn des Zyklus sich im gesellschaftlichen Durchschnitt die Arbeitsproduktivität und die technische Zusammensetzung des Kapitals erhöht hat. Im Konjunkturabschwung sinken die Preise auf breiter Front und die Durchschnittsprofitrate fällt. Erst im Zyklusdurchschnitt und im Vergleich der Zyklusdurchschnittswerte lässt sich mit Bezug auf das gesellschaftliche Gesamtkapital feststellen, ob das Wertgesetz sich durchgesetzt hat und wodurch es möglicher Weise in seiner Wirkung eingeschränkt bzw. modifiziert wurde.

Die Frage, in wieweit und in welchem Umfang die sozialen Veränderungen auf diesem Planeten bestimmt werden von der Durchsetzung des Wertgesetzes auf der Basis voneinander unabhängiger Privatarbeiten, scheint aber Karl-Heinz Roth nicht wirklich zu interessieren. Er kommt ohne Wert und Wertgesetz aus und produziert dabei in Bezug auf Kapitalakkumulation und Krise eher fragwürdige Erkenntnisse. So schreibt er:

Der »Kondratieff« des Zyklus 1973-2006 verhalf dem Kapital durch massive technische Innovationen zur Steigerung der Profitraten, indem er – bei fortschreitend sinkenden relativen Lohnraten – die organische Zusammensetzung des Kapitals in strategischen Bereichen verringerte: Umwälzung und Standardisierung der Transportketten durch den Container, Umwandlung der Kommunikationsstrukturen durch Informatik und Informationstechnologie, Mikrominiaturisierung und Roboterisierung der Produktionsanlagen und Umstellung der Maschinenparks auf numerisch gesteuerte Aggregate. Bis jetzt liegen keine gesicherten Daten über die im vergangenen Zyklus erreichte Steigerung der Ausbeutungsraten durch die weitere Verdichtung der Arbeitsprozesse, die Einführung der neuen technologischen Instrumente der reellen Subsumtion, die Indienstnahme und Verwertung der subjektiven Kreativität der Ausgebeuteten sowie die arbeitsorganisatorische Totalisierung betrieblicher Herrschaft (»total productive management« usw,) vor.“

Das stellt so ziemlich alles auf den Kopf, was bisher über den Zusammenhang von technischer und wertmäßiger Zusammensetzung des Kapitals geschrieben wurde, ohne es auch nur zu begründen. Es widerspricht außerdem so ziemlich allen Ergebnissen, zu denen ökonomiekritische Leute gelangt sind, wenn sie versucht haben die Profitraten des Kapitals an Hand empirischen Materials zu berechnen.

Zwischen 1973 und 2006 sind die Profitraten des Kapitals abwechselnd gestiegen und wieder gesunken. Gestiegen sind sie mit jedem Konjunkturaufschwung und gesunken sind sie mit jedem Konjunkturabschwung. Nimmt man die Durchschnittswerte der Konjunkturzyklen, dann sind die Profitraten des Kapitals in der Zeit zwischen 1973 und 2006 gesunken und nicht gestiegen. Wenn man den "Klassenkampf von oben" (neoliberale Reaktion) seit Ende der 70er Jahre nicht bloß auf die Gier der Besitzenden zurückführen will, dann hat er genau darin seine objektive Grundlage.

Verwunderlich ist der tendenzielle Fall der Profitraten nicht, denn im selben Zeitraum ist die Kapitalintensität, also jener Indikator bürgerlicher Statistik, der auf die organische Zusammensetzung des Kapitals (Wertzusammensetzung, soweit sie technisch bestimmt ist) verweist, gestiegen. Es ist sowieso befremdlich, wieso Karl-Heinz Roth zu der Auffassung gelangt, dass z.b. „Roboterisierung der Produktionsanlagen und die Umstellung des Maschinenparks auf numerisch gesteuerte Aggregate“ Ausdruck einer verringerten organischen Zusammensetzung sein sollen. Schließlich ließe sich ein Ansteigen der Profitraten des Kapitals nur aus einer solchen verringerten organischen Zusammensetzung erklären.

Bei Wikipedia heißt es:

Hervorgegangen ist die CNC aus der NC, Numerical Control, bei der die Informationen nicht als Komplettprogramm in der Steuerung einer Maschine gehalten, sondern satzweise von einem Lochstreifen eingelesen wurde.

Das Zeitalter der CNC-Technologie setzte ungefähr Mitte der 1970er Jahre ein. Sie ermöglichte eine Rationalisierung in der Serienfertigung und Einzelfertigung durch die erheblich schnellere und dabei trotzdem sehr genaue Bewegung der Achsen und Werkzeuge. Heute sind nahezu alle neu entwickelten Werkzeugmaschinen mit einer CNC-Steuerung ausgerüstet. Es gibt aber noch immer weltweit einen beachtlichen Altbestand an konventionellen Werkzeugmaschinen.

Wenn also hier schon von einer Umstellung die Rede ist, dann doch besser von nc zu cnc, also von  numerical control auf comuperized numerical control).

Das Gegenteil ist der Fall. Beide Technologien sind teurer als ihrer Vorgänger und beide verdrängen menschliche Arbeitskraft. Beide Technologien stehen also gewissermaßen als Musterbeispiele für einer veränderte technische Zusammensetzung des Kapitals, die sich in einer veränderten Wertzusammensetzung ausdrücken.

Bis jetzt liegen Karl-Heinz Roth keine gesicherten Daten vor, aber er scheint davon auszugehen, dass die Erhöhung der Mehrwertrate ("Erhöhung des Ausbeutungsraten") alles das kompensiert hat, was im Kapitalismus den tendenziellen Fall der Profitraten erzeugt.

Verwundert hat mich in diesem Zusammenhang auch, wie Karl-Heinz Roth zu der Auffassung gelangen kann, dass die "Autokonzerne" angeblich den "kapitalintensivsten Sektor der industriellen Produktion" bilden. Meines Wissens sind die Branchen mit Prozesstechnischen Anlagen (also allen voran die Energieerzeuger, dann aber auch die chemische Industrie und die Stahlindustrie) diejenigen mit der höchsten Kapitalintensität. 

II. Klassenanalyse und Programm

Seine Klassenanalyse nennt Karl-Heinz Roth auch eine "konzeptionelle Voraussetzung" für seine programmatischen Vorschläge. (Ich werde später noch zeigen, dass man auch von anderen klassenanalytischen Überlegungen zu ähnlichen Konsequenzen kommen kann.) Im Zentrum dieser Klassenanalyse steht nicht der Gegensatz von Lohnarbeit und Kapital, sondern der Gegensatz (wörtlich) von "Arbeit und Kapital". Nicht die spezifische soziale Form der Arbeit im Kapitalismus, und damit die kapitalistischen Produktionsverhältnisse, sondern die „Arbeit“ („globale Klasse der Arbeiterinnen und Arbeiter“) bildet danach die Grundlage des Klassengegensatzes. Wenn er von „Weltarbeiterklasse“ spricht, dann zählen dazu beispielsweise auch die kleinen Selbständigen, weil sie arbeiten.

Die Weltarbeiterklasse wird nicht durch die doppelt freie Lohnarbeit dominiert, sondern stellt seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ein vielschichtiges Multiversum dar, innerhalb dessen die großindustrielle Lohnarbeit eine wichtige und zeitweilig auch politisch hegemoniale Rolle spielte, aber nie die Aussicht hatte, die übrigen Segmente des Proletariats zu absorbieren und / oder in eine reine industrielle Reservearmee verwandelt zu sehen. Die globale Klasse der Arbeiterinnen und Arbeiter konstituiert sich bis heute in einem Fünfeck von Massenarmut und Massenerwerbslosigkeit, kleinbäuerlicher Subsistenzwirtschaft, von selbständiger Arbeit (Kleinbauern, Kleinhandwerker und Kleinhändler, scheinselbständige Wissensarbeiter), industrieller Lohnarbeit und unfreien Arbeitsverhältnissen aller Schattierungen (Sklaverei, Schuldknechtschaft, Kuli-bzw. Kontraktarbeit, militarisierte und internierte Zwangsarbeit bis hin zu den ihrer Freizügigkeit beraubten Arbeitsarmen der Metropolen, etwa den Hartz IV-Empfängern). Zwischen diesen Segmenten der Weltarbeiterklasse, die in den verschiedenen Regionen in sehr unterschiedlichen Relationen zueinander vorhanden sind, gibt es laufende Übergänge und Vernetzungen, deren Fäden vor allem in der Massenmigration zusammenlaufen zwischen den proletarisch-kleinbäuerlichen Familienverbänden einerseits und den transkontinentalen Subkulturen andererseits. Wir gehen mit dem jungen Marx davon aus, dass die Klasse der Eigentumslosen der wichtigste Akteur bei der Durchsetzung von sozialer, wirtschaftlicher, geschlechtsspezifischer und ethnischer Gleichheit ist, weil nur sie durch die generelle Aufhebung des Eigentums die doppelte Entfremdung der Menschen gegenüber ihren tätigen Lebensprozessen und der ihnen als fremde Macht – als Kapital – gegenübertretenden vergegenständlichten Arbeit aufzuheben vermag. Deshalb sind diese Homogenisierungs-und Konvergenzprozesse innerhalb des proletarischen Multiversums unser entscheidender Bezugspunkt. Es geht also nicht nur um die Aufhebung der Lohnarbeit, sondern um die Aufhebung aller Arten von Ausbeutung und Herrschaft, die vor allem dadurch bedingt sind, dass die meisten Menschen ihr Arbeitsvermögen entäußern müssen, um überleben zu können.“ (alle Hervorhebungen von mir, R.S.)

Dem letzten von mir hervorgehobenen Satz würde ich bedingt zustimmen, weil es in der Tat nicht nur um die Aufhebung der Lohnarbeit geht, sondern um die Aufhebung aller Arten von Ausbeutung und Herrschaft. Was immer Karl-Heinz Roth hier aber unter Entäußerung des Arbeitsvermögens als Ursache von Ausbeutung und Herrschaft versteht, die „selbständige Arbeit“ der von ihm aufgezählten Kleinbauern, Kleinhandwerker, und Kleinhändler konstituiert kein solches Ausbeutungs- und Herrschaftverhältnis. Sofern diese „ArbeiterInnen“ ausgebeutet und unterdrückt werden, vollzieht sich das nicht über die soziale Form ihrer Arbeit. Ihre Selbständigkeit, die Ausdruck von Privateigentum an Produktionsmitteln ist, steht im Widerspruch zu „Ausbeutung- und Herrschaftsverhältnissen“, soweit sie unmittelbar durch Produktionsverhältnisse, soziale Beziehungen in der Arbeit, begründet sind. Das „Segment der Weltarbeiterklasse“, dass sich aus Kleinbauern, Kleinhandwerker und Kleinhändler zusammensetzt, dürfte aus ihren sozialen Verhältnissen heraus weder ein grundlegendes Interesse an Eckpunkten des von Karl-Heinz Roth skizzierten Reformprogramms noch an der von ihm in Aussicht gestellten sozialistischen Umwälzung entwickeln können. Ich will das kurz an der Frage der Arbeitszeitverkürzung, dieser zentralen sozialen Forderung illustrieren. Sie wäre sowohl eine der wichtigsten sozialen Reformen, als auch, wie Roth richtig schreibt, eine der wichtigsten Voraussetzung für die sozialrevolutionäre Perspektive von Selbstverwaltung. Gegen wen aber sollten die kleinen Selbständigen etwa eine 30-Stundenwoche als Reform durchsetzen, wenn nicht gegen sich selbst? Wer oder was zwingt sie dazu, länger als 30-Stunden die Woche zu arbeiten und wer trifft die Entscheidung? Selbst wenn Lohnabhängige länger als 30-Stunden in der Woche arbeiten wollen, um etwas mehr Geld in der Tasche zu haben, so können sie doch niemals darüber entscheiden. Das Verhältnis von Lohnarbeit und Kapital schließt eine solche Entscheidungsmacht aus.... im Gegensatz zur Selbständigkeit.

Außerdem: Welches Interesse sollten Selbständige an der „Aneignung der gegenständlichen Bedingungen ihrer Reproduktion“ entwickeln, wenn ihnen doch ihre Produktionsmittel schon gehören? Wieso sollten sie ihre in ihrer Produktivität beschränkten Produktionsmittel, die doch offenbar durchaus von Einzelnen oder Familien besessen und und erfolgreich "bedient" werden können, vergesellschaften wollen? Im Gegensatz zu diesen beschränkten sachlichen Produktivkräften sind die vom Kapital selbst entwickelten Produktivkräfte nur von einem "Gesamtarbeiter" anwend- oder bedienbar, und zwar nicht nur von jenen Lohnabhängigen, die klassisch als "Arbeiter" bezeichnet werden. Dazu gehören auch, solange die vom Kapital entwickelte Arbeitsteilung nicht überwunden ist, z.B. Techniker und Ingenieure.

Die Tatsache, dass jemand durch seine Arbeit dazu beiträgt, den gegenständlichen Reichtum der Gesellschaft zu erzeugen, macht ihn oder sie nicht zum Teil einer besonderen sozialen Klasse. Klassenzugehörigkeit ergibt sich nicht aus der Arbeit, sondern aus der Art der Revenue, die durch die Stellung im Produktionsprozess bestimmt ist (soziale Form der Arbeit). Es gibt also meiner Meinung nach keine „globale Klassen von ArbeiterInnen und Arbeitern“, wohl aber eine globale Klasse von Lohnabhängigen, deren weltweit wachsende Zahl das Produkt fortschreitender Kapitalakkumulation ist.

Die Möglichkeit, einen Gesellschaftszustand sozialer Freiheit zu erkämpfen ergibt sich einzig aus den Voraussetzungen, die das Kapital selbst in seiner Entwicklung dazu schafft. Dazu zählt nicht nur die Vergesellschaftung der Produktion auf immer höherer Stufenleiter (Entwicklung der Arbeitsteilung in Einzelunternehmen und Gesellschaft), die Entwicklung der Produktivkräfte, sondern auch die Verallgemeinerung von Lohnabhängigkeit. Die kommunistische Perspektive einer von Mangel, Armut und Elend befreiten klassenlosen Gesellschaft eröffnet sich nur aus der Austragung des Gegensatzes von Lohnarbeit und Kapital. (Selbständige Kleinproduktion bietet keine solche Perspektive und selbständige Kleinproduzenten können nicht die Macht des Kapitals brechen). Das bedeutet auch, dass das Geschehen in den hochentwickelten kapitalistischen Ländern in jeder Beziehung entscheidend für diese kommunistische Perspektive ist und bleibt.

Sofern das Kapital in seiner weltweiten Dynamik selbständige Waren- und SubsistenzproduzentInnen ruiniert und andererseits solche Produktionsweisen an seinen Rändern immer wieder aufs neue (aus Not geboren) erzeugt, weil das Wachstum des Kapitals nachlässt und obendrein das bewirkte Wachstum von Zyklus zu Zyklus relativ weniger Ware Arbeitskraft nachfragt, ist zwar die Verallgemeinerung der Lohnabhängigkeit (durch Zerstörung anderer Produktionsweisen) eine realistische Perspektive, aber daraus resultiert nicht eine real mögliche Allgemeinheit von Lohnarbeit (durch entsprechende Nachfrage seitens des Kapitals)! Um zu überleben ist weltweit eine offensichtlich wachsende Zahl von Menschen zu wahrhaft „prekärer“ Selbständigkeit verdammt; dies um so mehr, wenn es keine gesellschaftlichen Sicherungssysteme gibt, die ein halbwegs erträgliches Überleben bei Lohnarbeitslosigkeit ermöglichen.

Ein Programm sozialer Reformen, dass diesen Entwicklungen gerecht werden will, muss einerseits die Einführung solcher Sicherungssysteme verlangen, die das gesellschaftliche Mehrprodukt umverteilen, also bezahlt werden aus den Profiten des Kapitals (dem auf Aneignung unbezahlter Mehrarbeit beruhenden Mehrwert, der dem Kapital nach Verkauf seiner Waren zufällt.) Es müssen andererseits Forderungen erhoben werden, die es ermöglichen, dass auch die zu "prekärer" Selbständigkeit gezwungenen Menschen überleben können (z. B. durch Landbesitz). Sofern aber selbständige Kleinproduktion für die Selbstversorgung und den Markt unterstützt wird, handelt es sich „klassenanalytisch“ und unter Berücksichtigung einer beabsichtigten sozialistischen Transformation um das ganz pragmatische Erfordernis eines anzustrebenden Bündnisses zwischen Lohnabhängigen und selbständigen Subsistenz- und Warenproduzenten. Es geht also tatsächlich nicht nur um die Aufhebung von Lohnarbeit, sondern es geht auch ums nackte Überleben. Dem sollte ein Übergangsprogramm Rechnung tragen, indem es Maßnahmen fordert und vorsieht, die realistischer Weise davon ausgehen, dass die bedrückend riesige und anwachsende Massenarmut der Welt weder durch eine Programm kapitalistischen Wachstums noch (allein) durch ein Programm kommunistischer Umwälzung der industriellen, kapitalistischen Produktionsweise kurzfristig beseitigt werden kann.

Im Zuge der Entwicklung seiner klassenanalytischen Überlegungen arbeitet Karl-Heinz Roth auch mit den Begriffen "De-Proletarisierung" und "Re-Proletarisierung". So schreibt er beispielsweise:

"Die letzte Phase einer relativen De-Proletarisierung haben wir im sozialstaatlich dominierten Akkumulations- und Regulationszyklus der 1950er und 1960er Jahre erlebt, ... Sie wurde seit 1973 durch eine neue Welle der globalen Re-Proletarisierung abgelöst, ..."

Der Begriff der Proletarisierung hat offenbar nichts zu tun mit der Ausbreitung und Verallgemeinerung von Lohnarbeit. Entscheidendes Kriterium für "Proletarisierung" scheint wohl eher eine bestimmte Vorstellung von Armut zu sein, die aber nicht genauer ausgeführt wird. Die 1950er und 1960er Jahre waren jedenfalls eine Zeit dynamischer Kapitalakkumulation, in der die Lohnarbeit nicht abgenommen sondern enorm zugenommen hat. Insofern war es objektiv eine Zeit zunehmender "Proletarisierung". Diese Zeit war allerdings gleichzeitig geprägt durch erkämpfte und in der Blockkonfrontation mit dem "Realsozialismus" zugestandene Reformen, die die Wirkungsweise des Wertgesetzes in Bezug auf den Preis der Ware Arbeitskraft modifizierte und abschwächte. Die sich ausdehnende Lohnarbeit ging einher nicht mit zunehmender Armut der Lohnabhängigen, sondern einer allmählichen Verbesserung ihrer Lebensbedingungen. Mit "De-Proletarisierung", oder, wie linke Keynesianer es nennen, "Dekommodifizierung der Ware Arbeitskraft", hat das aus meiner Sicht nichts zu tun.

Es wird wahrscheinlich so sein, dass eine neues Klassenbewusstsein der Lohnabhängigen, deren Zahl in der Zeit seit dem 2. Weltkrieg weltweit enorm zugenommen hat, sich nur entwickeln wird auf der Basis zunehmender existenzieller Unsicherheit und sich ausdehnender Armut gerade in den entwickelten kapitalistischen Ländern. Dieser Prozess zunehmender Unsicherheit und Armut ist Produkt der Kapitalakkumulation selbst und betrifft mehr und mehr die ganze Klasse der Lohnabhängigen, lässt also die vielbeschworene "Mitte" als Bezugspunkt bürgerlicher Politik dahin schmelzen wie Eis unter der Sonne. Es wäre die Aufgabe sozialrevolutionärer, kommunistischer Kräfte, diesen Prozess als notwendigen Prozess der Klassenpolarisierung zwischen Lohnarbeit und Kapital zu analysieren und zu kritisieren. Die neue "Klassenzusammensetzung", von der Karl-Heinz Roth spricht, ist längst Realität und Produkt der Kapitalakkumulation der letzten Jahrzehnte. Die Klasse der Lohnabhängigen besteht nicht mehr nur aus "Arbeitern" und der Versuch, Klassenbewusstsein als "Arbeiterbewusstsein" zu entwickeln, ist der eher romantische Versuch eine untergegangene Tradition wieder zu beleben. Das Scheitern einer darauf orientierten Politik ist vorprogrammiert. Erfolge könnten allenfalls hier und dort zu sektiererischen Milieus führen, aber niemals eine zunehmende sozialrevolutionäre Organisierung der Klasse der Lohnabhängigen bewirken. 

Wie bereits eingangs zitiert, hält Karl-Heinz Roth nichts von einer „konzeptionellen Automatik von Krise und Revolution“. Dies sei durch die Erfahrungen des letzten Jahrhunderts widerlegt.

Grundsätzlich stimme ich ihm selbstverständlich zu, denn wie sollte eine Angelegenheit, die subjektiven Willen und Bewusstheit verlangt, automatisch vonstatten gehen?

Die Feststellung, dass es eine solche Automatik nicht geben kann, sollte allerdings nicht dazu verleiten, den Bedingungszusammenhang von Krise des Kapitals, dem nachhaltigen Zusammenbruch seiner Akkumulationsdynamik und sozialer Revolution zu leugnen oder auch nur zu ignorieren. Keinerlei Politikkonzeption kann jedenfalls die objektiven Bedingungen, deren Entstehen nicht in "unserer" Hand liegt, ersetzen! Alle nach der 68iger Revolte entwickelten Politikkonzepte mit sozialrevolutionärem Anspruch haben nicht einmal verhindern können, dass kommunistische Positionen praktisch so bedeutungslos wurden, wie sie es heute sind. Auch dafür gibt es meiner Meinung nach neben den subjektiven Fehlern handfeste objektive Gründe.

Auf der anderen Seite hat es meines Wissens in keinem halbwegs entwickelten kapitalistischen Land eine solche "Kollektivierungsbewegung" gegeben, wie in Argentinien während der tiefen Krise zu Beginn dieses Jahrtausends. Zweifellos eine neue Erfahrung, die nicht mit dem Verweis auf Krise und Depression nach 1929 abgetan werden kann! Sicher, auch das war kein "automatisch in Gang kommender revolutionärer Kollektivierungsprozess", aber es war eine spontane Aneignungsbewegung (selbstverwaltete Betriebe), die ohne die besondere Schärfe der Krise nicht entstanden wäre; und ohne solche Aneignungsbewegungen wird kein revolutionärer Plan, keinerlei revolutionäre Organisation einen "revolutionären Kollektivierungsprozess" in Gang setzen können, der diesen Namen verdient.

Karl-Heinz Roth hält seine "konkrete Utopie", seine "Umrisse eines Übergangsprogramms" für eine "angemessene Antwort" auf die "historische Umbruchsituation", in der wir uns seiner Meinung nach befinden. Ich sehe bisher nur eine besonders scharfe und synchronisierte Weltwirtschaftskrise, eine Krise der Kapitalakkumulation, aus der möglicherweise eine solche Umbruchsituation entsteht. Ob ein solcher historischer Umbruch passiert, das wird weitgehend vom weiteren Verlauf der Krise abhängen, davon, in welchem Umfang das kapitalistische Privateigentum versagt und die davon beherrschte gesellschaftliche Reproduktion kollabiert (überall argentinische Verhältnisse). Der Krisenprozess selbst wird darüber entscheiden, in welchem Umfang und mit welcher Dringlichkeit die soziale Revolution zu einer Notwendigkeit wird, die das Denken und Handeln einer wachsenden Zahl von Menschen zu bestimmen beginnt.

Letztlich bleibt auch bei Karl-Heinz Roth die Krise des Kapitals und die Möglichkeit der daraus sich entwickelnden spontanen Kämpfe ("Automatismus") der entscheidende Bezugs- und Ausgangspunkt seiner praktisch-politischen "Konzeption". Es existiert heute kein "Wir", dass hoffnungsfroh machen könnte, weil es zahlenmäßig stark und bewusst für seine klar formulierten Ziele kämpft!

Es bedarf gerade in den entwickelten kapitalistischen Ländern eines mächtigen objektiven Anstoßes, der die weitgehend akzeptierte bürgerliche Lebensweise auf Seiten der Lohnabhängigen praktisch in Frage stellt, damit die Systemfrage auch subjektiv von der Mehrheit gestellt werden kann. Dies ist umso offensichtlicher, als die Geschichte des Kapitalismus und der Klassenkämpfe, jedenfalls in den kapitalistisch entwickelten Ländern, zu zweierlei geführt hat:

1        Die vollständige Integration der Lohneinkommen in den Reproduktionsprozess des Kapitals. (keinerlei Subsistenzproduktion mehr, Bedeutung des Massenkonsums für die Kapitalreproduktion, vergl. etwa G. Jakob in „Kapitalismus und Lebenswelt“)

2        Der nahezu vollständige Bruch in der bewusst antikapitalistischen Kultur der Klasse der Lohnabhängigen. d. h.: es gibt unter der Masse der Lohnabhängigen praktisch kein sozialistischen/kommunistischen Denken mehr! Dies ist Folge verheerender Niederlagen und der nicht minder abschreckenden Entwicklung dieses sozialistischen und kommunistischen Denkens selbst. Sozialismus und Kommunismus sind auf den Status einer bloß theoretischen Position zurück geworfen. Diese Positionen sind ebenso vielfältig und  oft fragwürdig wie praktisch bedeutungslos.

 

III. Die Krise des Kapitals und die sozialen Reformen

Vorab: Die Vorschläge für ein soziales Reformprogramm zur Begrenzung der Krisenauswirkungen auf die Lohnabhängigen und der kleinbäuerlichen SubsistenzproduzentInnen des Südens halte ich im Kern alle für richtig (Arbeitszeitverkürzung, Aufbau bzw. Ausbau sozialer Sicherungssysteme etc.) Allerdings spricht Karl-Heinz Roth auch von "anlaufenden antizyklischen Reformprogrammen", die es radikal zuzuspitzen gelte.

Erstens sehe ich da nichts anlaufen! Die herrschende Klasse macht eher Business als usual, was die Rahmenbedingungen für Kapitalakkumulation anbetrifft, also jene Rahmenbedinungen, die zu dieser Krise beigetragen haben. Es sieht eher danach aus, als wollte man die Sache "aussitzen", überbrücken durch ungeheure Aufblähung der Staatsverschuldung, in der Hoffnung, die Konjunktur würde irgendwie schon wieder anspringen. Man versucht die Entwertungsprozesse, die Vernichtung von Kapital zu kontrollieren und zu strecken, um eine soziale Explosion zu vermeiden. Die jetzt „forcierte“ Staatsverschuldung ist genau so wenig „antizyklisch“ wie die Politik des billigen Geldes der FED während der letzten Konjunkturkrise es war. Sie können mit diesen Mitteln bestenfalls den Verlauf einer Krise abmildern, um eine größere und schärfere Krise vorzubereiten. Die Ursachen der ungenügenden Verwertung von Kapital werden nicht beseitigt, sondern die Leckagen des Systems notdürftig geflickt. Der Druck kann sich somit allmählich weiter erhöhen, bis eine ökonomische Implosion und eine soziale Explosion gleichermaßen unvermeidlich sind.

Zweitens kann es überhaupt kein "antizyklisches Reformprogramm" geben. Der Zyklus selbst ist Produkt der Kapitaleigenschaft der Produktivkräfte und verallgemeinerter Warenproduktion. "Antizyklisch" kann daher nur ein Programm sozialer Revolution sein!

Sofern Reformprogramme auf den Weg gebracht werden, die sie sozialen Auswirkungen der Krise auf die Lohnabhängigen begrenzen, wirken diese nicht antizyklisch, sondern eher "prozyklisch" im Sinne der Verschärfung von Verwertungsproblemen des Kapitals. Auf jeden Fall würde eine "massive Umverteilung des Reichtums von oben nach unten" die Rahmenbedingungen für Kapitalverwertung weiter verschlechtern und den Druck auf die Profitraten erhöhen.

Der tendenzielle Fall der Profitrate verursacht zwar nicht unmittelbar die Krise innerhalb eines Konjunkturzyklus (das besorgt die Überproduktion, auf die das Kapital in jedem konjunkturellen Aufschwung unvermeidlich zusteuert), aber der durch die zyklische Bewegung der Kapitalakkumulation (mit jeweils erhöhter Kapitalintensität) langfristig sich durchsetzende Fall der Durchschnittsprofitrate des gesellschaftlichen Gesamtkapitals verlangt die Krise, damit die Profitrate wieder zeitweise steigen und überhaupt ein neuer (Investitions-)Zyklus begonnen werden kann.
Wenn innerhalb der zyklischen Krise des Kapitals ein soziales Programm verhindert, dass der Mechanismus der Krise (Entwertung und Vernichtung von Kapital, also Verringerung der Zahl selbständiger Einzelkapitale auf die der gesamtgesellschaftliche Mehrwert verteilt werden muss, und vor allem Steigerung des Ausbeutungsgrades der Lohnarbeit) wieder für steigende Profitraten sorgt, dann wird dem Kapital der Ausweg aus der Krise verbaut. Es handelt sich bei einem solchen sozialen Programm vielmehr um ein Programm, dessen Verwirklichung die Widersprüche des Kapitals enorm verschärft und zuspitzt auf die Alternative zwischen der „Initiierung eines Projektes der revolutionären Umgestaltung“ oder eines konterrevolutionäre Rollbacks. Darüber sollte man sich im Klaren sein!
Die heute wieder oft zitierte Politik des „New Deal“ beweist das Gegenteil von dem, was man sich von ihr verspricht. Sie führte nicht zur Überwindung der Krise, sondern begleitete die Depression. Der amerikanische Finanzminister musste 1939 von den Kongress-Demokraten folgendes eingestehen:
“We have tried spending money. We are spending more than we have ever spent before and it does not work. And I have just one interest, and if I am wrong … somebody else can have my job. I want to see this country prosperous. I want to see people get a job. I want to see people get enough to eat. We have never made good on our promises … I say after eight years of this Administration we have just as much unemployment as when we started … And an enormous debt to boot!”*
Aber dass der New Deal als Programm des ökonomischen Wachstums und der Überwindung von Lohnarbeitslosigkeit gescheitert ist, das sieht ja auch Karl-Heinz Roth so. Umso mehr verwundert es mich, dass er von "antizyklischen Reformprogrammen" spricht. Wozu dann die Lehren aus den bisherigen Krisen des Kapitals?
Bei den Keynesianern beruht die Annahme, dass man mit Hilfe sozialer Reformen, der Steigerung kaufkräftiger Nachfrage, das Wachstum des Kapitals verstetigen könne, auf der Leugnung des Wertgesetzes. Der vom konstanten Kapital ausgehende Kostendruck, der sich wie Mehltau auf die Verwertung legt und sie zu ersticken droht, erscheint als ein Problem, das leicht durch die ständige Erweiterung des Warenabsatzes, also durch Ausdehnung kaufkräftiger Nachfrage zu lösen sei. Der Preis der Ware Arbeitskraft, die Höhe der Löhne, wird jedoch grundsätzlich durch ihren Wert beschränkt. Löhne können nicht beliebig steigen, um Überproduktion an Lebensmitteln zu vermeiden. Würden sie es tun, wäre die Profitabilität des Kapitals ebenso grundsätzlich in Frage gestellt. Sie können nicht beliebig steigen, weil die Arbeitskraft selbst eine Ware ist, deren Preis wesentlich durch Angebot und Nachfrage auf dem "Arbeitsmarkt" reguliert wird.
Die aus den Produktionsverhältnissen selbst resultierende Konkurrenz unter den VerkäuferInnen von Ware Arbeitskraft, verschärft durch eine anwachsende industrielle Reservearmee, sorgt für die Durchsetzung des Wertgesetzes in Bezug auf den Preis der Ware Arbeitskraft. Durch die ökonomischen Mechanismen der kapitalistischen Marktwirtschaft ist dafür gesorgt, dass die Bäume (Löhne) nicht in den Himmel wachsen. In der überzyklischen Entwicklung steigt diese industrielle Reservearmee ebenso tendenziell an, wie die Profitrate des gesellschaftlichen Gesamtkapitals tendenziell sinkt. Beides resultiert aus einer Kapitalakkumulation, die zum Zweck steigender Arbeitsproduktivität, von Investitionszyklus zu Investitionszyklus menschliche Arbeitskraft durch Maschinerie überflüssig macht und verdrängt. Dadurch werden einer Ausdehnung der kaufkräftigen Endnachfrage durch absolutes Wachstum der gleichzeitig beschäftigten LohnarbeiterInnen ebenfalls Grenzen gezogen.
Das scheinbar reine „Verteilungsproblem“ ist in Wirklichkeit ein „Produktionsproblem“, das nicht durch bloße Veränderung der Verteilung zu lösen ist. Die Krise der Kapitalverwertung beruht auf zu hohen Kosten und zu geringem Umsatz. Die Krise selbst sorgt dafür, dass die Kosten sinken und der eingebrochene Umsatz erneut steigen kann. Es muss Kapital entwertet und vernichtet werden und es müssen Löhne gesenkt werden! Eine anderen kapitalistischen Weg zur Krisenüberwindung gibt es nicht und hat es nie gegeben.

Es reicht nicht aus, sich von den Keynesianischen Absichten der Systemstabilisierung zu distanzieren und zu betonen, dass man anderes bezweckt! Man muss deutlich machen, dass der Kampf um soziale Reformen, die diesen Namen verdienen, die Widersprüche des Systems zweifellos verschärfen und damit die Systemfrage auf die Tagesordnung setzen würde! Auch der Kampf um soziale Reformen ist Teil des Kampfes um soziale Emanzipation! Wird er bewusst in diesen Kontext gestellt, dann werden die Reformforderungen, unter denen sich die Klasse der Lohnabhängigen zusammenschließen und zu einem Subjekt werden kann, aus radikaler Kapitalkritik begründet und entsprechend konsequent und folgerichtig formuliert.

Editorische Anmerkungen

Den Text  erhielten wir vom Autor.