Welcher Krieg ist der am wenigsten beachtete?

Derzeit finden bis zu 42 kriegerische Auseinandersetzungen statt. Die meisten davon relativ unbemerkt

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Überall in der Welt gibt es teilweise seit Jahrzehnten andauernde Kriege, über die kaum berichtet wird. Der Fokus der Weltöffentlichkeit richtet sich meist nur auf einen oder zwei Brennpunkte - andere werden "vergessen", vor allem, wenn sie länger dauern oder in weit entfernten, wirtschaftlich und geostrategisch als unbedeutsam empfundenen Weltregionen stattfinden.

Wenn heute von Kriegen die Rede ist, dann fallen einem zunächst vermutlich die Kriege in Afghanistan und Irak ein. Diese Feststellung dürfte für die Massenmedien, die Friedensbewegung und für den nicht speziell mit Außen- oder Entwicklungspolitik befassten Durchschnittspolitiker gleichermaßen gelten.

Doch seit dem Zweiten Weltkrieg fanden rund 200 Kriege statt - in überwiegender Zahl in der sogenannten "Dritten Welt". Wie viele es genau waren und im Moment sind, darüber gehen die Zahlen auseinander. Für die Jahre 2005 bzw. 2006 spricht zum Beispiel die Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung (AKUF) von 28 Kriegen und 14 bewaffneten Konflikten, das Heidelberger Institut für Internationale Konfliktforschung (HIIK) hingegen von nur 6 Kriegen und 29 ernsten, bewaffnet ausgetragenen Krisen.

Schauplätze bewaffneter Konflikte weltweit. Karte: Wikimedia Commons Das Bild Map of sites of ongoing armed conflicts worldwide stammt aus der freien Mediendatenbank Wikimedia Commons und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. Die Urheber des Bildes sind Theshibboleth, NGerda, Vizcarra, Lorenzarius, Monarchy, NielsF, Eszett und Lencer.

In Kolumbien stehen seit den 1960er Jahren zwei Guerillaorganisationen dem Staat gegenüber - die "Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens" (FARC) und das "Nationale Befreiungsheer" (ELN). Hinzu kommen ultrarechte Paramilitärs die teilweise von Privatunternehmen finanziert werden. Bislang kamen durch den Bürgerkrieg über 200.000 Menschen ums Leben, jährlich werden von den Rebellen rund 3.500 Zivilisten entführt. Auch die frühere Präsidentschaftskandidatin wurde verschleppt. Nach Schätzungen sind durch den Krieg 2,7 Millionen Menschen zu Flüchtlingen geworden.

Mit am schlimmsten von bewaffneten Auseinandersetzungen betroffen ist Afrika. Im Osten des Kongo dauert der 1994 ausgebrochene Krieg an. Mittlerweile hat kaum jemand noch einen Überblick über die Vielzahl der bewaffneten Gruppen dort. Im Grenzgebiet zwischen Mali, Niger und dem südlichen Algerien rebellieren Tuareg, während weiter nördlich der Terrorkrieg zwischen Islamisten und algerischer Regierung wieder aufgeflammt scheint.

Die Elfenbeinküste galt lange Zeit als wirtschaftlich und politisch stabil. Die Gesellschaft spaltete sich jedoch, als bei den Präsidentschaftswahlen 2001 der aus dem Norden stammende moslemische Kandidat Alassane Ouattar ausgeschlossen wurde, weil er angeblich nicht über die Staatsbürgerschaft verfügte. Der Oppositionsführer Laurent Gbagbo aus dem christlich geprägten Süden wurde Präsident.

Fortan lieferten sich die Anhänger von Ouattar und Gbagbo heftige Straßenkämpfe, ein Putschversuch scheiterte. Seit 2002 ist der Staat geteilt: Den Norden beherrschen Rebellengruppen, der Süden ist regierungstreu.

Deutlich verworrener ist die Lage in Somalia, wo sich verschiedene Clans, islamistische Gruppen und ausländische Mächte bekriegen. Ähnliches gilt auch für ein etwas nördlicher gelegenes Konfliktgebiet: Obwohl der enge Zusammenhang mit dem Dafur-Konflikt unübersehbar ist, geraten auch die blutigen Kämpfe im Grenzgebiet zwischen Tschad und im Norden der Zentralafrikanischen Republik immer mehr in Vergessenheit bzw. haben es nie wirklich in das Bewusstsein der Weltöffentlichkeit geschafft. Derweil kämpft in Äthiopien die ONLF-Guerilla im somalisch besiedelten Ogaden gegen die Truppen der Zentralregierung. Seit eine chinesische Firma dort Öl fördert, hat sich der Konflikt verschärfte.

Aber auch Asien ist von Kriegsgebieten durchzogen: Die ehemalige britische Kolonie Birma, 1989 in Myanmar umbenannt, ist seit ihrer Unabhängigkeit durch innerstaatliche Konflikte mit Minderheiten geprägt, die von der Weltöffentlichkeit weitgehend unbeachtet blieben. Die Kampfhandlungen dort veranlassten bereits eine Million Menschen, ihre Wohnorte zu verlassen. Über 300.000 flüchteten nach Thailand, wo sich wiederum moslemische Rebellen an ethnischen Säuberungen durch Terror versuchen. In Indonesien dagegen kämpfen verschiedene christliche Guerillagruppen für eine Abspaltung vom moslemisch dominierten Zentralstaat. Sogar in Indien sind mehrere Guerillagruppen aktiv - unter anderem in Kaschmir, Assam, Nagaland, Westbengalen und Tripura.

Telepolis hat dazu eine Umfrage gestartet: Welcher Krieg ist der am wenigsten beachtete? Wir bitten um lebhafte Beteiligung.