Gentechnik-Streit: WTO gibt USA Recht.

Nach dem Zwischenbericht der Welthandelsorganisation verstärkt die EU den Druck auf jene Mitgliedsländer, die an nationalen Importverboten festhalten

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Im Frühjahr 2003 riefen die USA, unterstützt von Argentinien und Kanada, die Welthandelsorganisation (WTO) an. Der Grund: Das in der EU von 1998 bis 2004 bestehende de facto Moratorium für Neuzulassungen von gentechnisch veränderten Nahrungsmitteln und Pflanzen ging den Klägern zu weit. Nach mehreren Verzögerungen legte die WTO vergangenen Dienstag einen 600 Seiten starken Zwischenbericht vor, in dem sie den Klägern Recht gibt. Ob dieser Schiedsspruch eine mehr „symbolische“ Wirkung hat, wie im Vorfeld von EU-Seite betont wurde, oder einen effektiven, wird nicht von der WTO entschieden, sondern im Wesentlichen von der Politik der EU-Kommission. Und diese hat prompt angekündigt, einen neuen Vorstoß in Richtung Abschaffung nationaler Importverbote unternehmen zu wollen.

Gegenstand des WTO-Verfahrens war primär das EU-Moratorium. Es würde sich um eine wissenschaftlich nicht ausreichend begründete protektionistische Maßnahme handeln, so die Meinung der USA. Darüber hinaus wandten sich die Kläger auch gegen Importstopps der Gentech-Maissorten Bt176, T25 und MON 810, die mehrere EU-Mitgliedsstaaten verhängt hatten. Obwohl die EU das Moratorium im Mai 2004 beendete und seither laufend Gentech-Sorten auf EU-Ebene zugelassen werden, wurde die WTO-Entscheidung von vielen Seiten mit Spannung erwartet. Unternehmen der Biotech-Industrie erhoffen sich nun eine Steigerung der Nachfrage nach gentechnisch veränderten Nahrungsmitteln, ist in Wirtschaftsmedien zu lesen. Und US-Landwirte, die angeblich jährlich Umsatzeinbußen von rund 300 Millionen Dollar erlitten hätten, könnten aufatmen.

Die von Seiten der US-Regierung angegebenen Einbußen dürften sich vor allem auf Mais-Importe bezogen haben, denn Gentech-Soja war bereits vor dem EU-Moratorium zugelassen und wird seither hauptsächlich im Futtermittelbereich eingesetzt. Insofern ist die Unterstützung der Klage durch Argentinien, wo primär herbizidtolerantes Roundup Ready-Gentech-Soja angebaut wird, sachlich nicht ganz nachzuvollziehen. Ob die Nachfrage nach Gentech-Ware tatsächlich ansteigen wird, muss sich erst weisen. Immerhin meidet die europäische Nahrungsmittelindustrie aufgrund der massiven Verbraucherablehnung gentechnisch veränderte Rohstoffe. Brüssel stellt in einem Grundsatzpapier dazu fest:

Die Entwicklung der Mais-Einfuhren in die EU ist ein weiterer Beleg dafür, dass die US-Landwirte nicht länger als Billiganbieter gelten können und immer weniger in der Lage sind, mit aufstrebenden Ländern wie Brasilien oder Argentinien auf den globalen Rohstoffmärkten zu konkurrieren.

Von Jubelstimmung über den WTO-Bericht ist auf US-Seite, der auch die europäische Kennzeichnungspflicht ein Dorn im Auge ist, jedenfalls nicht viel zu bemerken. Die österreichische Nachrichtenagentur apa berichtet über eine Hintergrundinformation des US-Handelsdelegierten, in der es hieß, dass die jüngsten Zulassungen von GVO in der EU nicht bedeuten würden, „dass das Moratorium aufgehoben ist“. Nach wie vor würden „sichere, geprüfte Biotech-Produkte in den komplexen Zulassungsbestimmungen der EU in der Warteschleife“ hängen. Und: „Das Moratorium sei erst aufgehoben, wenn die EU ‚auf Basis von wissenschaftlichen Prinzipien und Beweisen und nicht auf Basis von Politik ihre Entscheidungen fällt“, zitiert die Nachrichtenagentur den US-Handelsdelegierten.

Dagegen verteidigte die EU-Kommission die strikten Zulassungs- und Monitoring-Prozesse:

Durch die Kennzeichnungspflicht und die vorgeschriebene Rückverfolgbarkeit gewährleistet der EU-Rechtsrahmen außerdem eine strikte Überwachung von GV-Produkten nach ihrem erstmaligen Inverkehrbringen. Nach Auffassung der EU ist eine solche Regulierung von größter Bedeutung, um ein etwaiges Versagen des Regelungssystems aufzufangen, wie es sich jüngst in den USA ereignete, als nicht genehmigte GVO wie die gentechnisch veränderten Maissorten von StarLink oder Bt 10 in die amerikanische Lebensmittelkette gelangten.

NGOs, die die Zuständigkeit der WTO in dieser Sache immer bezweifelten und auf das Selbstbestimmungsrecht von Regionen pochten, werden manche ihrer Positionen in dem am 7. Februar veröffentlichten EU-Grundsatzpapier wieder finden. So heißt es etwa unter dem Zwischentitel Was die USA wirklich am EU-System stört:

Die USA stört das Zulassungssystem der EU, das sie als zu streng ansehen, schlicht deshalb, weil die Zulassung eines GVO in Europa länger dauert als in den USA. Die USA sind der Ansicht, dass GVO, die in den USA als sicher angesehen werden, de facto auch für den Rest der Welt als sicher gelten sollten. Die EU argumentiert, dass ein souveräner Zusammenschluss wie die EU und ihre Mitgliedstaaten und überhaupt jedes Land in der Welt das Recht hat, eigene Rechtsvorschriften für die Lebensmittel zu erlassen, die zum Verzehr freigegeben werden, vorausgesetzt, diese Vorschriften sind mit den bestehenden internationalen Regeln vereinbar und beruhen auf eindeutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen.

Die EU-Zulassungspraxis und speziell die für die Bewertung zuständige Behörde (EFSA) ist Gentech-Kritikern zwar zu liberal und unsystematisch, im WTO-Fall treffen sie sich aber mit der EU-Position. Der WTO-Zwischenbericht ist offiziell geheim, die österreichische Umweltschutzorganisation Global 2000 erlangte dennoch Kenntnis davon und veröffentlichte die Schlussfolgerungen des WTO-Panels auf ihrer Homepage. In einer Presseaussendung heißt es:

In einer ersten Analyse stellt GLOBAL 2000 fest, dass die WTO in ihrem Zwischenbericht selbst zugibt, dass sie keine Aussagen darüber trifft, ob Gentech-Produkte sicher sind oder nicht. Daher ist der Zwischenbericht der WTO eine glatte Themenverfehlung. Der Bericht lässt die wichtigste Komponente der Diskussion um GVO unberührt, nämlich die möglichen und bisher nicht ausreichend geprüften Risiken von GVO für Mensch und Umwelt. Die WTO gibt sogar zu, dass Risiken von GVO gut belegt sind, zum Beispiel Pestizidresistenzen von Schädlingen. Gleichzeitig sagt die WTO aber auch, dass dies nicht ‚Gegenstand des Verfahrens ist’. Eine solche Vorgangsweise ist zynisch, weil es bei der Zulassung von GVO darum geht sicherzustellen, dass GVO keine negativen Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen und die Umwelt haben.

Auf wenig Verständnis stieß auch der auf den WTO-Bericht prompt folgende Vorstoß der EU-Kommission, die bereits demnächst über nationale Importverbote abstimmen lassen will. Mehrere Mitgliedsländer, darunter Deutschland, Griechenland, Frankreich, Ungarn und Luxemburg, haben die Einfuhr einzelner gentechnisch veränderter Pflanzen untersagt. Die WTO stellt die Importverbote von drei Gentech-Maissorten in Frage. Darunter Bt176 von Syngenta, der nicht mehr in den USA vermarktet wird. In Europa wurde der aufgrund eines enthaltenen Antibiotika-Resistenzmarkergens umstrittene Bt176 Mais nur in Spanien angebaut. Die sozialdemokratische spanische Regierung kündigte aber bereits 2004 ein Verbot von Bt176 an.

Wirklich relevant erscheint lediglich das Verbot von MON 810 aus dem Hause Monsanto, der in Deutschland inzwischen für den uneingeschränkten Anbau zugelassen ist. Importverbote für MON810 gibt es in u.a. in Österreich, Ungarn und Griechenland. Österreich will zudem Gentech-Raps GT 73 verbieten.

Die EU-Kommission will aber alle von Brüssel zugelassenen Sorten auch durch die Mitgliedsländer akzeptiert sehen und ließ bereits vergangenes Jahr abstimmen. Dabei holte man sich aber ein blaues Auge, da sich damals erstmals eine qualifizierte Mehrheit im Ministerrat fand, die gegen ein Aufweichen nationaler Regelungen votierte (EU-Umweltminister beharren auf Gentech-Importverboten).

Der österreichische Agrarminister und seine Amtskollegin im Gesundheitsressort erklärten indes, dass sie auch weiterhin alles unternehmen werden, um Österreich frei von grüner Gentechnik zu halten. Die Importverbote wären hinreichend wissenschaftlich begründet. Während der EU-Ratspräsidentschaft fungiert Österreich im April als Gastgeber einer von der EU ausgerichteten Konferenz. „Wir haben demnächst eine Gentechnikkonferenz in Wien, die erste in Europa. Das zeigt auch, wie schlampig wir mit dem Thema in der Vergangenheit in Europa umgegangen sind“, erklärte Landwirtschaftsminister Josef Pröll (ÖVP) gegenüber den „Salzburger Nachrichten“.

Entscheidend ist: Wem dient die Gentechnik warum und wo? Ich sehe in der österreichischen bäuerlichen Landwirtschaft keinen strategischen Vorteil. Die Gentechnik begünstigt die industrielle Landwirtschaft. Das kann nie unser Ziel sein.

Josef Pröll

In der Telepolis-Buchreihe ist von Brigitte Zarzer erschienen: Einfach GEN:ial. Die grüne Gentechnik