Watt mutt, dat mutt

30 Jahre nach dem Treck auf Hannover planen wendländische Bauern einen Zug nach Berlin

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Im Frühjahr 1979 brachten die Einwohner des niedersächsischen Wendlandes Pläne zu Fall, in ihrer damals sehr abgelegenen Ecke an der Grenze zur DDR eine Wiederaufbereitungsanlage zu bauen, oder genauer, eine Plutoniumfabrik, wie die Franzosen derlei Einrichtungen weniger schönfärberisch nennen. Der seinerzeitige CDU Ministerpräsident Ernst Albrecht, der sich ansonsten gerne als Folterbefürworter hervor tat, wollte in dem bis dahin stockkonservativen Landkreis einen gigantischen Atomkomplex entstehen lassen, zu dem neben einer Konditionierungsanlage für Atommüll und einem Endlager auch die besagte Fabrik gehören sollte.

Doch Albrecht hatte nicht mit den störrischen Wendländern gerechnet. Am 25. März starteten sie mit 5.000 Menschen und etlichen Traktoren zu einem Treck in die Landeshauptstadt Hannover. Dort empfingen sie am 31. März 1979 100.000 AKW-Gegner. Eine der größten Demonstrationen, die Westdeutschland bis dahin gesehen hatte, und mit Abstand die gewaltigste Manifestation der Ende der 1970er sehr agilen Anti-AKW-Bewegung.

Diese hatte sicherlich auch dadurch Auftrieb erhalten, dass es in der Nähe des US-amerikanischen Harrisburg gerade in den Tagen, als die Wendländer sich auf den Weg machten, zu einer teilweisen Kernschmelze in einem AKW gekommen war. Wenige Wochen später erklärte Albrecht- übrigens der Vater der derzeitigen Bundesfamilienministerin - eine Wiederaufbereitungsanlage sei im Wendland nicht durchsetzbar. Das geplante Endlager in Gorleben ist bis heute in der Schwebe. Allerdings wird mit einem Zwischenlager direkt neben dem Eingang zum Erkundungsschacht versucht, vollendete Tatsachen zu schaffen. Seit Mitte der 1990er wird es langsam befüllt.

Die wendländischen Initiativen wie die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg und die Bäuerliche Notgemeinschaft, wollen gemeinsam mit Umweltschutzorganisationen wie Robin Wood und dem BUND an diese Tradition anknüpfen. Im Vorfeld der Bundestagswahlen planen sie einen neuen Anti-Atom-Treck. Am 30. August soll er im Wendland starten und über die Endlagerstandorte Konrad, Asse II und Morsleben nach Berlin führen. Am 5. September soll er dort anlangen.

Hintergrund ist die reale Möglichkeit, dass durch die Wahl im September mit CDU/CSU und FDP drei Parteien eine Mehrheit bekommen könnten, die sich für die Verlängerung der Laufzeit von AKWs einsetzen. Kerstin Rudek von der BI Umweltschutz: "Mit dem Anti-Atom-Treck und der Demonstration am 5. September in Berlin werden wir ein starkes Zeichen gegen die Atomkraft setzen. Das Risiko von schweren Störfällen und die auch heute noch völlig ungelöste Lagerung des Atommülls müssen endlich zum Atomausstieg führen. Gorleben ist als Endlager für den anfallenden hochradioaktiven Atommüll nicht geeignet."