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[ 02. Apr 2008 ]

Stiller Krieg - Abschiebung auf Österreichisch

Artikel aus der "Frankfurter Rundschau" über das Monopol und die Arbeit des innenministeriums- finanzierten Vereins "Menschenrechte Österreich"

 

Es ist ein stiller Krieg, den österreichische Behörden derzeit gegen asylsuchende Menschen führen. Viel ist von Humanität und Menschenrechten die Rede, doch die Realität in den Heimen und Gefängnissen sieht anders aus. Jetzt erschüttert ein neuer Trend die Helferszene der Alpenrepublik: Seriöse Organisationen wie Diakonie und Caritas würden vom Staat zunehmend aus der Flüchtlingsbetreuung und -beratung verdrängt, um die Zahl der Abschiebungen zu erhöhen, sagt Anny Knapp von der Asylkoordination Österreich.

Die Flüchtlingsbetreuung übernehme vielerorts ein neuer privater Verein namens "Menschenrechte Österreich", der vom Staat großzügig finanziert werde und immer mehr Aufgaben bekomme. Der Verein mit dem wohlklingenden Namen agiere als "verlängerter Arm der Polizeibehörden", sagt Knapp. Flüchtlingen werde der Kontakt zu Anwälten verwehrt, mit Täuschungen zwinge man sie zur "freiwilligen Ausreise". Die Beratung erfolge "ausschließlich zu dem Zweck, dass die Menschen ausreisen", so Knapp.

Der Verein "Menschenrechte" habe "fast schon ein Monopol" in der Flüchtlingsbetreuung, sagt Anwalt Georg Bürstmayr, Mitglied im Menschenrechtsbeirat des Innenministeriums. "Caritas und Diakonie werden ausgebootet." Offiziell gelte der Verein als Non-Government-Organization (NGO), wirtschafte aber in völliger finanzieller Abhängigkeit vom österreichischen Innenministerium, sagt Bürstmayr. In Wahrheit handele es sich um eine verkappte Regierungsorganisation, eine "Government-Non-Government Organization", kurz Gongo. "Mister Gongo" und "Mister Schubhaft" nennen sie deshalb in Österreich den Mann, der den neuen Verein fast im Alleingang führt: Günter Ecker. "Ihr Partner für Menschenrechte" steht in jeder E-Mail, die Geschäftsführer Ecker verschickt.

Ausweisung in Zahlen


Das Wiener Innenministerium beauftragt neben Caritas und Diakonie immer öfter den "Verein Menschenrechte" mit der "Schubhaftbetreuung". Der Verein organisierte nach Angaben des Ministeriums 2007 die Ausreise von 1199 "Fremden in ihre Heimatländer", 2006 waren es 1038 Personen. Im Jahr 2007 gab es 2112 Fälle von Hungerstreik bei Flüchtlingen in Abschiebehaft, 2006 verweigerten in 2338 Fällen inhaftierte Flüchtlinge längere Zeit die Nahrungsaufnahme.

Er stehe für eine "soziale, humanitäre Betreuung von Fremden, die in Haft gehalten werden", sagt Ecker der FR. Mit 40 festangestellten Mitarbeitern wolle er in diesem Jahr 1500 Flüchtlinge zu einer "freiwilligen Ausreise" bewegen, so Ecker. Bereits jetzt organisiere sein Verein bis zu 65 Prozent dieser Rückführungen in Österreich. In den "Rückkehrberatungen" des Vereins sollen den Flüchtlingen die Vorteile einer "freiwilligen Ausreise" vermittelt werden. Anwälte seien dabei nicht zugegen, sagt Ecker. Die "Fremden" hätten "Gelegenheit, sich das ausführlich zu überlegen".

Doch an den Motiven und Methoden des ehemaligen Kommunisten Ecker, der heute im Innenministerium gern gesehen wird, gibt es scharfe Kritik. Eckers Verein biete den Flüchtlingen "nicht einmal ein Mindestmaß an Kontakt nach Außen", sagt Anwalt Bürstmayr. "Sprachunkundige Flüchtlinge haben nicht den Funken einer Chance, einen Rechtsbeistand zu erreichen."
Bei ärztlichen Untersuchungen sei oft kein Dolmetscher dabei, und Häftlinge säßen bis zu 22 Stunden ohne Bewegungsfreiheit in der Zelle, sagt Bürstmayr. "Das ist ein Haftvollzug, der früher unter dem Wort Kerker bekannt war."

Der Wiener Anwalt Herbert Pochieser hat Fälle gesammelt, die eklatante Verstöße des Vereins "Menschenrechte" dokumentieren sollen. So sei einem Asylbewerber ein Berufungsverzicht zur Unterschrift vorgelegt und suggeriert worden, damit bringe er sein Anliegen voran. "Der Flüchtling wurde darüber getäuscht, was er unterschreibt", so Pochieser. "Das ist Täuschung und Prozessbetrug im Sinne des Strafgesetzbuches." Der Verein "Menschenrechte" erteile den Flüchtlingen juristisch falschen Rat, um eine Ausreise zu erreichen. Auch einen psychisch kranken Flüchtling habe der Verein abschieben wollen, ohne einen Vormund einzuschalten.

"Im Ergebnis unterschreiben manche da ihr eigenes Todesurteil, wenn sie in Folterstaaten abgeschoben werden", sagt Pochieser. "Das hat mit Menschenrechten gar nichts mehr zu tun." In Österreich "privatisiert der Staat die Missstände im Fremdenrecht, beauftragt einen Verein, der die Drecksarbeit macht und wäscht seine Hände in Unschuld", so Pochieser. "Es ist unglaublich."

Quelle: Frankfurter Rundschau, 29.3.2008