Besteuerung des Lohns - Besteuerung des Kapitals - Steuerklassen?

Wal Buchenberg 11.05.2003 11:33 Themen: Soziale Kämpfe
Woher nimmt der Staat sein Geld? Wie wird der Lohn besteuert, wie das Kapital? Mehr zum Thema....
Steuern auf Kapital und auf Lohn
Steuern auf das Kapital sind Abzüge vom Gewinn und senken die Profirate. Wie kapitalfreundlich unsere Regierung ist, zeigt folgende Grafik (Daten für 1999):

http://www.marx-forum.de/bilder/staatslast.jpg

Aus: Economist, 20.4.2002.

Selbst diese Grafik ist noch kapitalfreundlich, weil sie die "social-security contributions" mit zu der Steuer- und Abgabenlast für den Staat zählt, obwohl diese Kosten eindeutig zu den Lohnkosten gehören. Die Gewinnbesteuerung allein betrachtet ist die Staatsbelastung des Kapitals in Deutschland relativ am geringsten.
Hält Deutschland also das Schlusslicht, was die Besteuerung des Kapitals angeht, so hat es einen Spitzenplatz bei der Besteuerung bzw. Staats-Belastung der Lohnarbeiter:

http://www.marx-forum.de/bilder/arbeitswelt/steuer_lohn.jpg

In der folgenden Grafik muss man wie in einem Suchbild nach der winzigen Steuerbelastung des Kapitals suchen:

http://www.marx-forum.de/staatslast.jpg

Hinzu kommt:
1. Für 90 % der Erwerbstätigen gibt es kein Entrinnen aus der Steuerschraube. Die Steuer ist schon abgezogen, bevor die Lohnarbeiter einen Cent Lohn (direkte Steuern) oder eine Ware in die Hand bekommen (indirekte Steuern). Beim Unternehmenskapital werden nur die Gewinne besteuert, nicht die Gesamteinnahmen. Würde das gleiche Prinzip für die Lohnarbeiter gelten, dann dürfte nur das besteuert werden, was aus dem Lohn am Monats- oder Jahresende übrigbleibt und aufs Sparbuch wandert. Die Lohnarbeiter tragen die Hauptlast der Steuern und Abgaben. Und sofern Lohnarbeiter aus dem Staatstopf Subventionen bzw. Zuschüsse erhalten, sind diese immer mit peinlichen Bevormundungen und Schikanen verbunden. Insgesamt zahlen die Lohnarbeiter mehr für den Staat als sie erhalten.

2. Für die selbstarbeitenden Selbständigen (ca. 7 % der Erwerbstätigen) hat der Staat hundert legale und illegale Schlupflöcher gelassen, um Steuern zu sparen. Wer als kleiner Selbständiger meint, er zahle zuviel Steuern, der hat kein Augenmaß oder den falschen Steuerberater. Allerdings haben die kleinen Selbständigen nur relativ geringe Möglichkeiten vom Staat Subventionen zu erhalten. Im Saldo wird es so sein, dass auch sie – wie die Lohnarbeiter - mehr zahlen als erhalten.

3. Für die Kapitalisten gibt es einerseits noch mehr legale und illegale Schlupflöcher, um Steuern nicht zu bezahlen, außerdem haben sie noch hundert Möglichkeiten, Subventionen vom Staat zu bekommen - je größer ihr Kapital ist, desto größer die Subventionen.

4. Bis ins 19. Jahrhundert wurden Steuern noch zeitlich befristet und für bestimmte Zwecke bewilligt.
Jedes Management eines kapitalistischen Unternehmens kann ebenfalls nur zeitlich befristet und für festgelegte Zwecke über Gelder verfügen. Indem die Politiker ohne Einspruchsrecht von uns Steuern kassieren, benehmen sich aber nicht wie unsere Manager, sondern wie Eigentümer dieser Gesellschaft. Man sollte alle Politiker mindestens als Manager behandeln und ihnen das Geld, mit dem sie wirtschaften nur für feste Etats in begrenzten Summen und zeitlich befristet bewilligen.

Wal Buchenberg, 11.5.2003
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Ergänzungen

steuern und marxismus

charly 11.05.2003 - 14:40
wie macht ihr das denn, nachdem ihr ein marxistisches regime installiert habt?
muss ich als unterdrückter lohnsklave dann keine steuern mehr bezahlen?
wovon werden dann die netten polizisten und die fussgängerampeln und die strassenkehrer bezahlt?

fragt ein steuerzahlender...

Hallo Wal!

proll 11.05.2003 - 14:59
Mich dünkt du hast da einen kleinen Fehler in deiner Sichtweise der Dinge:

1. Du versuchst auf die ungerrechte Verteilung der Steuerlast auf Kapital und Arbeit hinzuweisen. Aber an wen appelierst du da? Soll der Staat das ändern?
Es ist töricht daran zu glauben, da der Staat nichts anderes ist als ein ideeller Gesamtkapitalist der versucht die Maschine am laufen zu halten!

2. Was ist das Kapital? Das Kapital ist die akkumulierte ausgebeutete Arbeit der Vergangenheit (also tote Arbeit). Wenn du jetzt beklagst, dass das Kapital zu wenig Steuern bezahlt, beachtest du nicht wie das Kapital entsteht. Nämlich durch Ausbeutung der Arbeiter.
So, der Staat soll jetzt also dem Kapital mehr vom Mehrwert wegnehmen um es unter den Arbeitern zu verteilen?

3. Deine Theorie ist am Stand der Sozialdemokratie vor einigen Jahrzehnten.
Du gibst dich als Marxist obwohl deine Theorien so klingen als ob selbst die ersten Kapitel des 1.Bandes Marxens Kapitals dir fremd wären.

4. Was bleibt? Auf die glorreichen Ideen der Sozialdemokratie und die Taktik der Trotzkisten über Verwässerung der Theorie zur Massenbasis zu kommen können die Arbeiter gerne verzichten. Und wer sich vom Staat etwas erhofft der ist schon in der Vergangenheit falsch gelegen.

Darum: Alle Macht den Räten!

kurzsichtig

ich 11.05.2003 - 16:28
das ist eine sehr kurzsichtige betrachtungsweise.

zum einen gibt es soetwas wie solidarität. diejenigen die mehr haben kommen mit für die auf die weniger haben. für dinge, die keinen gewinn abwerfen(zb gesundheit) müssen die kosten gedeckt werden.
das geschieht innerhalb des kapitalismus über abgaben und steuern. hohe steuern und abgaben heisst anspruch auf mehr leistung durch den staat. insofern sind hohe steuern immer gut für menschen, die von solchen leistungen abhängig sind.
privatisierung also abgabensenkung bedeutet, dass leistungen nicht vom staat sondern von privatpersonen geleistet werden müssen. das bedeutet dann dass der zugang zu leistungen auf priviligierte beschränkt wird. wenn z.b. medikamente etwas kosten kann sie sich ein niedrigverdiener u.u. nicht leisten bzw muss sich überlegen ob er nun um seine gesundheit sorgt oder sich seinen seit jahren aufgeschobenen urlaub gönnt wärend besserverdiener sich um ihre gesundheit keine sorgen zu machen brauchen.

es ist gar nicht so wichtig wo die abgezogen werden, viel wichtiger ist, wofür die verwendet werdet werden und dass steuern möglichst hoch sind.

grund: mehr als die leute haben, können sie an steuern nicht abziehen und wenn zuhause bleiben lukrativer ist als arbeiten , dann bleiben die leute zu hause. wichtig ist, dass die steuern zur finanzierung von solchen dingen genutzt werden. wichtig ist dass die steuern z.b. zur finanzierung einer ordentlichen sozialhilfe genutzt werden und da nicht gekürzt wird.
dass ist die forderung die systemintern gestellt werden muss. es darf nicht sein dass steuern zur subventionierung von gewinnbringenden unternehmen genutzt werden. privatisierung ist deren problem - es darf aber nicht sein, dass eine privatisierung darauf hinausläuft, dass das unternehmen zwar privatwirtschaftlich gewinn macht aber über subventionen kosten senkt. dass ist das problem.
dass problem ist: wie werden die steuern verteilt.

für hohe steuern. für eine ordentliche soziale absicherung. für umverteilung, gegen privateigentum!

Die Abschaffung durch das Kapital läuft ja

Alfons Kilad 11.05.2003 - 16:46
Leute, die immer noch der besseren Alternative fragen,
verkennen eines: Das, was am gegenwärtigen Wirtschaftssystem vielleicht noch lebenswert ist bzw. manchen so erscheint, wird vom Kapital selbst beseitigt:
Nichts anderes läuft zurzeit in der ganzen Sozialstaatsdebatte: Was da hin und her diskutiert wird, ist nur propagandistisches Beiwerk zu einer Abschaffung des Sozialstaates, speziell im Rahmen der GATT-Pläne. Das Kapital verlangt aufgrund sinkender Rendite eine schärfe Trennung von profitablen Quellen im Dienstleistungsbereich und eine Aussonderung der unprofitablen Kranken, Alten usw. ohne Geld. Ob nun Stoiber oder Schröder, die Aufgabe der Politik besteht hierbei in zwei Punkten: 1. den Armen klarzumachen, dass sie an ihrer Armut selbst schuld sind und am Ausbau notwendiger staatlicher Gewalt, gegen Protestierer. Hier schließt sich der Kreislauf von Wirtschaftspoltik zu Prozessen nach § 129 StGB. Übrig bleibt hier höchstes nach die Verkäuferqualität, sprich die Frage wer betrügt die Leute am besten und wird dann auch noch gewählt. Aber auch mangelnder Wahlerfolg wird dem Kapital hier keine Grenzen ziehen können.
Bei solcher Gefahr von Krieg und Faschismus ist die Frage an Marxisten wie Wal nach der gangbaren alternativen Ökonomie eine Themenverfehlung. Im Übrigen ist nach Marx der Mensch selbst zum Gestalten seiner Geschichte aufgefordert. Deshalb werden andere Wirtschaftsbedingungen bestimmt nicht von selbst kommen - außer im Negativem.

Steuern und Karl Marx

Wal Buchenberg 11.05.2003 - 18:12
Hallo Mitdenker,

1) zu Charly: (Steuern und Marxismus)
Steuern sind eine Frage von heute und erfordern Antworten für heute. Deine Gegenfrage: „wie macht ihr das denn, nachdem ihr ein marxistisches regime installiert habt?“ Wehrt die Infragestellung der heutigen Verhältnisse ab.
Man merkt die Absicht und ist verstimmt.

2) Zu Proll:
Auch du versuchst die Steuerfrage abzuwehren und meinst, dich dabei auf Karl Marx berufen zu können:

“1. Du versuchst auf die ungerrechte Verteilung der Steuerlast auf Kapital und Arbeit hinzuweisen. Aber an wen appelierst du da? Soll der Staat das ändern? ...
Du gibst dich als Marxist obwohl deine Theorien so klingen als ob selbst die ersten Kapitel des 1.Bandes Marxens Kapitals dir fremd wären.“

Du kannst versichert sein, ich weiß, was in den Bänden des ‚Kapitals’ steht.
Siehe meine Kurzfassung des „Kapitals“ (alle drei Bände):  http://www.vwf.de/autoren/3-89700-360-0.php3

Staatsapparat und Steuern kommen jedoch im „Kapital“ gar nicht vor, weil sie nicht zum Untersuchungsgegenstand des Kapitals, der Ökonomie des Kapitalismus, gehören.

Informiere dich bitte erst einmal, was Karl Marx über Steuern dachte und welche Vorschläge er machte, bevor du dich positiv oder negativ auf ihn berufst.

Zum Beispiel hier: Karl Marx über Steuern:  http://www.marx-forum.de/marx-lexikon/lexikon_s/steuer.html

Gruß Wal


Hallo Wal,

der Dollar 12.05.2003 - 18:13
was hat das eigentlich für Auswirkungen, wenn der Euro gegen den Dollar stark ansteigt. Es ist im Zusammenhang mit dem Irak-Krieg behauptet worden, die Ami-Mafia wolle erdölexportierende Länder daran hindern, den Dollar gegen den Euro auszuwechseln.
Haben diese Sachen irgendwas miteinander zu tun?