Sieben Morde bei Coca Cola

Luis Javier Correa, Präsident der kolumbianischen Lebensmittelgewerkschaft Sinaltrainal wirft dem Coca Cola-Konzern trotz eingereichter Klage weiter Menschenrechtsverletzungen vor

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"Siempre Coca Cola - Immer Coca Cola" lautet der internationale Werbespruch des Konzerns, dem die Gewerkschafter von Sinaltrainal nichts entgegen zu setzen haben. Denn immer wieder kam es in den letzten Jahren zu verschiedenen Übergriffen gegen gewerkschaftlich organisierte Firmenarbeiter. Die Methoden reichen von Drohungen, Verschleppungen und Folter bis hin zu Mord. Sieben Gewerkschafter wurden in den letzten 13 Jahren bei Coca Cola in Kolumbien getötet, viele mussten fliehen. Vor einem halben Jahr reichte die Gewerkschaft Sinaltrainal, die zum größten Lebensmittelsyndikat im zersplitterten kolumbianischen Gewerkschaftslabyrinth zählt, mit Unterstützung US-amerikanischer Verbände eine Zivilklage gegen den Konzern in Florida ein. (Vgl. "Coke did nothing") Damit wollen sie eine moralische und ökonomische Entschädigung für die Opfer erstreiten und auf die Situation der Gewerkschaften in Kolumbien hinweisen. Denn bei Coca Cola arbeiten von 10570 Beschäftigten nur noch 2593 in Festanstellung. Der Rest besteht aus Zeitarbeitern. Ähnliche Bedingungen herrschen bei Nestlé und anderen Betrieben, in deren Betrieben es ebenfalls zu Morden kam. Allein dieses Jahr starben im Land bereits 128 Gewerkschafter durch Mord. Als Resultat dieser Bedrohung beträgt die Organisationsrate unter kolumbianischen Angestellten nur noch 3,2 Prozent. Derweil hat der Coca Cola-Konzern, der in Kolumbien über den Firmennamen Panamco vertreten ist, aus den Gewerkschaftsbemühungen gelernt: nämlich nichts. Auf telefonische Nachfrage nach dem Interview stritt die Firma jegliche Verantwortung für Morde ab. Von der US-Botschaft, die sich nach der Klageeinreichung aktiv zeigte, verweigerte man Aussagen zu dem Fall während der laufenden Klage. Die Repressionen aber gehen weiter, wie der Präsident der kolumbianischen Lebensmittelgewerkschaft Sinaltrainal in einem Interview mit telepolis berichtet.

Der Coca Cola Konzern hat in Kolumbien jährlich ein Handelsvolumen von etwa einer halben Milliarde US-Dollar. Schlecht geht es ihm offenbar nicht. Warum begann der Konzern einen massiven Konflikt mit ihrer Gewerkschaft?

Correa: Alles begann etwa Mitte der achtziger Jahre, als man bei der Beschäftigungsform verstärkt auf Zeitverträge und Anstellungen von Subunternehmern überging. Arbeitsverträge wurden zuvor direkt mit Arbeitern geschlossen, später wurden allerdings zur Kosteneinsparung eben diese Vertragsmethoden eingeführt, welche die Rechte der Beschäftigten beschneiden sollten. Ab 1986 setzten Repressionen gegen Arbeiter ein, besonders gegen gewerkschaftlich organisierte, die sich dieser Form widersetzten.

Wann gab es die ersten Toten?

Correa: 1986 fand der erste Mord in einer Firma von Nestlé statt, die ähnliche Betriebspolitik wie Panamco betreibt. Seitdem wurden 14 Gewerkschafter getötet, sieben allein bei Panamco. Drei wurden während der Verhandlungen zu den neuen Tarifabschlüssen umgebracht. Am 28. November 1996 beispielsweise gab es die Verhandlungspflicht in der Abfüllanlage von Carepa für einen neuen Tarifvertrag, der spätestens am 5. Dezember verhandelt werden musste. Die einzige Antwort aber von Panamco war an diesem Tag der Mord an einem unserer Gewerkschafter. An der Toreinfahrt wurde er mit einer Kugel in den Kopf erschossen. Wenige Stunden danach wurden alle Arbeiter gezwungen sich am Nachmittag zu versammeln und unverzüglich aus der Gewerkschaft auszutreten.

Wie haben sie als Gewerkschaft auf diese Fälle reagiert?

Correa: Am 12. Dezember, also eine Woche nach dem Mord in Carepa, informierten wir Panamco, die US-Botschaft sowie den kolumbianischen Präsidenten über die Vorfälle. Doch niemand reagierte darauf.

Luis Javier Correa

Also gab es eine stillschweigende Duldung der Vorfälle? Trat die Justiz nicht auf den Plan?

Correa: Doch. Aber in gegenteiliger Form. Mehrere Gewerkschafter wurden, wie schon Monate zuvor, unter unerklärlichen Begründungen festgenommen. Der gravierendste Fall fand am 6. März 1996 in Bucaramanga statt, wo Panamco seit Anfang der neunziger Jahre immer wieder Gerüchte gestreut hat, dass die Gewerkschaft von der Guerilla durchsetzt sei. Fünf von uns wurden per Haftbefehl unter dem Verdacht des Terrorismus fest genommen. Drei blieben 84 Tage ohne Beweise in Untersuchungshaft, weil sie angeblich Subversive gewesen sein sollen. Falschaussagen der Firma sollten die Gewerkschafter belasten. José Alfredo Aponte, Chef der Betriebssicherheit in Bucaramanga, trat für die Firmenleitung als Denunziant auf und belastete zunächst gegen Unbekannt. Als ihn später dann die Staatsanwaltschaft nach Namen und Klagebestätigung fragte, gab er die Namen von den fünf Gewerkschaftern an. Als später aber die ganze Inszenierung als Propaganda aufflog, wurde Aponte zunächst nach Bogotá, dann zu einer Abfüllfirma nach Cali versetzt. Dort fiel er auf, als er eines Tages mit einem Revolver auf einige Arbeiter schoss. Das einzige was passierte, war dessen Kündigung. Die Justiz interessierte sich nicht für diesen Fall.

Man sagt, es sei in Kolumbien sicherer, zur Guerilla zu gehen als Gewerkschafter zu sein und für soziale Veränderungen zu kämpfen. Was für Folgen hatten die Morde und Beschuldigungen auf die Gewerkschaft?

Correa: Das Ergebnis ist selbstverständlich verheerend: Nach den Beschuldigungen versammelte der Panamco-Vorstand die Arbeiter, erklärte die Vorfälle aus ihrer Sicht und legte den betroffenen Leuten nahe, aus der Gewerkschaft auszutreten. Denn alle Angehörigen von Sinaltrainal wären nun des Terrorismus verdächtig. 35 von 130 Arbeitern traten an diesem Tag aus Sinaltrainal in Bucaramanga aus. Ähnlich wurde und wird in anderen Abfüllbetrieben gehandelt. Wir haben in den letzten sechs Jahren über die Hälfte unserer Mitglieder verloren. Von 5400 auf 2500. Und dass Kolumbien auf Grund dieser Verhältnisse die meisten Gewerkschaftsopfer weltweit zu beklagen hat, weiß man mittlerweile über die Landesgrenzen hinaus. Dieses Jahr sind es bereits 128 Ermordete.

Coca Cola rühmt sich ja bisher damit, an die irregulären Kriegparteien keine "Kriegssteuer" zu zahlen. Die Morde werden aber den Paramilitärs angelastet. Was bedeutet das?

Correa: Das bedeutet, dass es nicht mehr stimmt. Am 15.8.1998 traf sich ja laut einem Artikel der Zeitschrift Cambio ein Vertreter von Panamco mit dem damaligen "Para"-Chef Carlos Castaño. Danach soll es durch eine Kommission von Panamco weiter zu regelmäßigen Kontakten mit den ‚Paras' gekommen sein, was ein Verbindungsaufbau vermuten lässt. Später kam es zu Veröffentlichungen innerhalb verschiedener Abfüller von Coca Cola durch die ‚Paras', auf denen sie ankündigten, nun gegen die Gewerkschaft zu kämpfen. In Carepa, wo bereits zwei Gewerkschafter ermordet wurden, bewegen sich die Paramilitärs seit 1997 frei auf dem Betriebsgelände. Niemals hat die Firma diese Vorfälle angezeigt. Im Gegenteil: Zeugenaussagen belasten den Firmenleiter Mario Mosquera im Zuge unserer Untersuchungen zumindest der Mitwisserschaft. Bei einer Feier 1996 mit viel Alkohol verkündete er lauthals, dass er mit Hilfe der ‚Paras' der Gewerkschaft ein Ende setzen wird. Zwei Tage vor dem Mord an Isidro Gil am 5. Dezember trat Mosquera von seinem Posten zurück und ging nach Bogotá. Er hatte gewusst, was geplant war.

Am 20. Julihaben sie in Florida Klage gegen den Konzern eingelegt und berufen sich auf den Alien Tort Claims Act von 1789, der Zivilklagen durch Ausländer erlaubt. Ein Fall gegen ein Unternehmen gab es allerdings noch nicht, sodass ein Erfolg nicht vorprogrammiert ist. Was erwarten sie?

Correa: Wir wollen, dass der Konzern auf die Menschenrechtsverletzungen in Kolumbien reagiert. Was erwarten eine klare Bekenntnis von Coca Cola zu den Ereignissen, die sie geduldet oder mitverantwortet haben, als auch eine Änderung der Beschäftigungspolitik, die dazu geführt hat, dass es zu Konflikten gekommen ist. Wir wollen, dass die Politik der Subunternehmen beendet wird, die die Arbeitsrechte beschneiden. Die Mehrheit der Coca Cola-Arbeiter werden nur noch zeitlich beschäftigt. Damit entledigt sich Panamco einerseits arbeitsrechtlichen Verantwortungen, und verhindert andererseits, dass sich die Beschäftigten gewerkschaftlich organisieren können. Das sind unsere Ziele, die wir nicht nur durch die Klage erreichen wollen.

Gab es kein außergerichtliches Bestreben Coca Colas, den Konflikt beizulegen?

Correa: Was die Firma nach der Klage in Florida ausschließlich getan hat, waren Bestrebungen, das Image bei den Arbeitern und Kunden aufzubessern. Aktiv ist seit der Klage allerdings die US-Botschaft geworden. Zuvor haben wir in Schreiben immer wieder auf die Situation bei Coca Cola hingewiesen und auf ein Treffen gedrängt, aber es gab keine Reaktionen. Erst nach der Klageeinreichung in Florida fragte die Botschaft für einen schnellstmöglichen Termin für eine Unterredung nach. Im September kam dann ein Mitarbeiter der Botschaft in unser Büro und drückte seine Bedenken wegen der Klage aus. Kurz danach besuchte er eine Abfüllanlage des Coca Cola-Konzerns und sprach mit den Arbeitern. Es soll Unterredungen mit Panamco hier in Bogotá gegeben haben, aber bis jetzt wissen wir nicht, worüber verhandelt wurde. Es scheint aber seitens der US-Botschaft Nervosität zu geben, was zeigt, dass innerhalb der kolumbianischen Coca Cola-Politik etwas nicht stimmt.

Auch wenn nichts von den Gesprächen bekannt ist: Lässt sich eine Änderung innerhalb der Betriebe auf Grund des Drucks erkennen?

Correa: Die Reaktion der Firma war die genannte massive Imagekampagne. Werbung wurde verstärkt geschaltet und in den Betrieben für die Unterstützung der Firma geworben. Es gab Anweisungen an die Betriebsleiter, die Sozialpolitik zu ändern und so die Arbeiter für sich zu gewinnen. Eine makabre Methode war das Einsammeln von Unterschriften jedes Einzelnen, die so ihre Unterstützung unter einen Aufruf setzen sollten, das die Unschuld der Firma bekräftigen sollte. Das war ein Befehl aus der Zentrale in Bogotá. In einigen Betrieben wurden zudem die Arbeiter einzeln in die Büros gerufen, um ein weißes Blatt zu unterschreiben. Niemand wusste, wofür die Unterschrift geeignet sein soll und was später auf dem Blatt stehen wird.

Gab es nach dem Einreichen der Klage in Florida weitere Fälle von Übergriffen?

Fotos:Tommy Ramm

Correa: In Medellin wurden Arbeiter von Panamco bei einer Straßensperre mit ihrem Firmenwagen aufgehalten. Die "Paras" sagten nach zwei Stunden, das Problem wäre nicht mit der Firma sondern mit dem Syndikat und dieses hätte sich mit ihnen in Verbindung zu setzen, um das Problem zu lösen. Ein weiterer Fall fand in Barrancabermeja statt: Dem Gewerkschaftsvertreter Juan Carlos Galvis wurde im September mehrfach gedroht, dass die "Paras" seine Frau entführen werden, wenn er nicht seine Gewerkschaftstätigkeit bei Panamco einstelle. Weitere Fälle von Drohungen gab es in Bucaramanga. Auf dem Anrufbeantworter in meinem Haus war kürzlich eine Drohung gespeichert. Nach dem Text hörte man eine Kettensäge, die angeworfen wurde. Ziemlich unmissverständlich, oder?