Cocktail gratis für ein NPD-Plakat

"Wo endet das zivilgesellschaftliche Engagement gegen die NPD, und wo fängt der 'übersteigerte Hass' an"

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Der Wahlkampf tritt in die entscheidende Runde, die Auseinandersetzungen werden härter. Das bekommen zur Zeit nicht nur die Wahlkämpfer aller Parteien zu spüren sondern auch manchmal Gruppen und Personen, die gar nicht in der ersten Reihe mitspielen wollen. So wurden in einer großangelegten Polizeiaktion am Samstagabend Büros sowie Privat- und Partyräume von aktiven Antifaschisten in Berlin durchsucht.

Unter den insgesamt 7 durchsuchten Objekten befand sich ein Stadtteilladen in Berlin-Kreuzberg, in dem neben anderen linken Gruppen auch die Antifaschistische Linke Berlin ihr Büro hat. Auch die durchsuchten Privatwohnungen werden von aktiven Antifaschisten bewohnt.

Schwerpunkt der Polizeimaßnahmen aber war eine Jugendantifaparty im Subversiv, einem Veranstaltungs- und Konzertraum in der Brunnenstraße in Berlin-Mitte. Die Polizei umstellte das Gebäude, in dem sich 135 Gäste befanden. Die Partybesucher durften erst nach einer Kontrolle ihrer Personalien das Gebäude verlassen. Mit der Party sollte die antifaschistische Begleitung der Bundestagswahlen eingeläutet werden. Wie schon bei früheren Wahlen soll auch in diesem Jahr die Propaganda der rechten Parteien im Mittelpunkt der Aktivitäten stehen.

Die Veranstalter der Jugendantifaparty versprachen unter dem Motto "Antifaschisten aktiv gegen Nazipropaganda" jeden Besucher, der ein NPD-Plakat mitbringt, einen Cocktail gratis. Auf Flugblättern und Plakaten, mit denen für die Party beworben wurde, heißt es:

Neonazis aus der gesamten BRD sind zur Zeit im Wahlkampf aktiv: wir auch! NPD-Plakate einsammeln, Kundgebungen blockieren oder Nazi-Material von Infotischen in blauen Müllsäcken entsorgen.

Für die Polizei handelt es sich bei dieser Ankündigung um einen Aufruf zu Straftaten. Laut Pressemitteilung der Polizei gab es keine Festnahmen bei der Durchsuchung. Allerdings sollen zwei Personen dem Haftrichter vorgeführt werden, die während der Proteste gegen die Durchsuchung Bierflaschen auf die Polizisten geworfen haben sollen. In den durchsuchten Büro- und Wohnräumen sollen die Computer gesucht worden sein, mit denen der Aufruf zur Sammlung der NPD-Plakate ins Netz gestellt wurde.

Der Pressesprecher der ALB Michael Kronewetter, dessen Wohnung selbst Ziel der Durchsuchung war, spricht von Kriminalisierungsversuchen der Polizei gegen aktive Antifaschisten. In einer Pressemitteilung der ALB wird die Rolle der Berliner Polizei bei dem Einsatz ebenfalls einer besonderen Kritik unterzogen. Über die unmittelbar Betroffenen hinaus wird die Razzia als Angriff auf antifaschistische Strukturen gewertet.

So verwundert die Hausdurchsuchung beim Antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin e.V.. Zwar war der Polizeibesuch dort von kurzer Dauer und nach Angaben der Mitarbeiter wurde nichts beschlagnahmt. Aber allein die Verbindung mit den Polizeiaktionen könnte den wegen seiner Archiv- und Bildungsarbeit sehr geschätzten Verein diskreditieren. In dem Durchsuchungsbeschluss heißt es, die Polizeimaßnahmen sollen "Auskunft über politische Aktivitäten außerhalb der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und den übersteigerten Hass der Beschuldigten auf die NPD geben".

"Wo hört das zu besonderen Anlässen, wie den 8.Mai, gerne beschworene zivilgesellschaftliche Engagement gegen die NPD auf, und wo fängt der übersteigerte Hass an", fragen sich jetzt viele Interpreten dieses Passus im Durchsuchungsbeschluss. Die ALB will es gleich praktisch ausprobieren. Sie will jetzt Prominente aus Politik und Kultur, eben die viel gerühmte Zivilgesellschaft aufrufen, sich ebenfalls öffentlich zur Entsorgung von rechter Wahlpropaganda zu bekennen.