Europa rüstet auf gegen Einwanderer

Elektronischer Schutzwall für die gesamte Mittelmeerküste und eine "europäische Grenzplizei"

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Spanien kündigt nach der außergewöhnlichen Regulierung von Einwandern eine Ausweitung des elektronischen Schutzwalls auf die gesamte Mittelmeerküste an. Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Italien und Spanien wollen eine gemeinsame "europäische Grenzpolizei" aufbauen. Frankreichs "Papierlose" wehren sich gegen die "Kriegsmaschinerie", die der "Aktionsplan gegen die illegale Einwanderung" bedeute.

Es war kein Zufall, dass die spanische Guardia Civil die Ausweitung des elektronischen Schutzwalls (Sive) am Mittwoch angekündigt hat (Elektronischer Schutzwall gegen Einwanderer). Es geschah zum Beginn eines Seminars in der spanischen Stadt Alicante, an dem Vertreter 22 europäischer Staaten und von Europol teilnahmen. Das Treffen stand unter dem Motto: "Zusammenarbeit der maritimen Polizei- und Zolleinheiten". Bei dieser Gelegenheit kündigte der Guardia Civil Offizier Francisco Díez Ticio die baldige Ausweitung des Schutzwalls auf die gesamte Mittelmeerküste an. Das in Spanien im Einsatz befindliche System besteht aus einer Kombination aus Radar- und diversen Kamerasystemen und anderen Sensoren zur Früherkennung von Booten besteht (Festung Europa: Beispiel Spanien).

Mobiles Überwachungssystem von Sive. Bild: Guardia Civil

Das Vorhaben ist eine Reaktion auf die Erfahrung, dass sich mit Sive die so genannte illegale Einwanderung nicht begrenzen lässt, sondern die Ströme nur umgelenkt werden. So nehmen die Boote immer längere Wege und Risiken in Kauf, um das gelobte Europa zu erreichen. Ohnehin seien die Drogen- und Menschenschmuggler immer einen Schritt voraus und setzten nun größere Schiffe ein, um an der Nordküste oder südlicher nahe der Grenze zu Portugal an Land zu gehen. Erst vor der Küste würden die Menschen auf kleinere Boote verteilt, räumte Ticio eigentlich das Scheitern des Abschottungsversuchs ein.

Aber mit der Ankündigung wollte Spanien der Kritik zuvorkommen, die ihr von vielen Staaten seit der Regulierung von Einwandern entgegenschallt. Die wurde Ende letzter Woche beendet. Nach etlichen Aufweichungen der Kriterien zur Antragstellung für gültige Aufenthaltspapiere ist die von der Regierung anberaumte Zahl von über 600.000 Anträgen eingegangen (Aufenthaltsgenehmigung, Abschiebung und Abschottung). Vor dem G5-Gipfel der Innenminister am Donnerstag in Paris wollte Madrid nun also zeigen, dass Spanien sich nach der Maßnahme aktiv gegen die illegale Einwanderung stellt und die internationale Kooperation sucht.

Auf Einladung des französischen Innenministers Dominique de Villepin waren der deutsche Amtskollege Otto Schily (SPD), José-Antonio Alonso (Spanien), Charles Clarke (Großbritannien) und Giuseppe Pisanu (Italien) nach Paris gereist, um sich im Kampf gegen die illegale Einwanderung abzustimmen. Beschlossen wurde, "eine gemeinsame europäische Einheit zur Grenzintervention" zu bilden, die Villepin als "Embryo einer europäischen Grenzpolizei" bezeichnete. Neben einer besseren Koordination in Fragen der Einwanderung sollen auch gemeinsame Kriterien für die Legalisierung und den Zugang zu den Sozialsystemen geschaffen werden. Auch die fünf Maghrebstaaten (Algerien, Marokko, Tunesien, Libyen und Mauretanien) sollen Finanzhilfen erhalten und quasi als EU-Vorposten dienen.

Der Kritik an der in der EU "nicht abgestimmten Maßnahme" begegnete der Spanier Alonso mit dem Hinweise, die Regulierung in Spanien "wird keine Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt anderer Staaten haben". Dass die mit Papieren ausgestatteten nach Deutschland ziehen würden, hatte zunächst Schily vermutet. Diese Kritik kam nun auch von Villepin, der eine ähnliche Regulierung in Frankreich strikt ablehnt. Tatsächlich war es genau umgekehrt, wie Telepolis in den vergangenen Wochen festgestellt hat. Hunderte Einwanderer haben sich aus Frankreich auf den Weg nach Spanien gemacht. In der Hoffnung, endlich einen geregelten Status zu erhalten, hatten sie 8.000 Euro an Schlepperbanden bezahlt. Wenn sie ihre Zielorte erreichen, würden sie dort Papiere erhalten, erklärte der Pakistaner Mohamed Shahzad Telepolis. Mit mehr als 200 Landsmännern war er von der spanischen Polizei aufgegriffen und an der Grenze der französischen Polizei übergeben worden. Shahzad lebte fünf Jahre in Paris und ging das Risiko ein, weil er in Frankreich keine Lösung für sein Problem erwartet.

Aktionsplan gegen illegale Einwanderung

Paris schlägt nämlich eine andere Richtung ein. Am Mittwoch hatte Villepin seinen "Aktionsplan gegen die illegale Einwanderung" vorgestellt. "Gegenüber der illegalen Einwanderung gilt der Grundsatz Festigkeit", sagte er gestern in einem Interview mit der Zeitung Figaro. Sein Plan sieht die Schaffung eines zentralen "Immigrationsdienstes" und einer eigenen Einwanderungspolizei vor. Zudem soll es eine verstärkte Kontrolle der Eheschließungen und vermehrt Abschiebungen geben.

Der Immigrationsdienst soll alle betroffenen Verwaltungsbereiche in Innen-, Justiz-, Sozial- und Außenministerium koordinieren. Die neue Immigrationspolizei soll sich vor allem aus Beamten der Luft- und Grenzpolizei (PAF) zusammensetzen, die um 600 Mann aufgestockt wird. "Sie wird sich ausschließlich mit der Aufdeckung von Schlepperbanden und mit der Abschiebung illegaler Einwanderer befassen", sagte Villepin. Man habe 2003 etwa 11.000 Personen abgeschoben, im Vorjahr schon 16.000. "Mein Ziel ist es, im laufenden Jahr 20.000 zu erreichen." Zudem soll ein "Zentralamt zur Bekämpfung der Schwarzarbeit" eingeführt werden und die französischen Konsulate sollen demnächst nur noch Visa mit biometrischen Informationen ausstellen.

Scharf kritisiert werden diese Maßnahmen von Gewerkschaften, Linksparteien und Intellektuellen. Die Zeitung Liberation nennt diese Maßnahmen einen "Angriff auf die Grundrechte aller". Sie stellt einen Bezug zum Referendum über die EU-Verfassung am 29. Mai her, mit denen die Regierung am Vorabend der Abstimmung die Ängste viele Franzosen zu besänftigen. Vor allem auf der Rechten will man nicht weiter Stimmen einbüßen (Frankreich vor dem Nein zur Europäischen Verfassung?).

Auch in Le Monde wird scharf gegen diese restriktiven Maßnahmen polemisiert und im Nouvel Observateur spricht Pierre Henry, Vorsitzender der Menschenrechtsorganisation France terre d'asile, von der faktischen Abschaffung des Asylrechts und der Tatsache, dass die Regierung Hunderttausende in "rechtlose Räume" zwinge. Gegen diese "Kriegsmaschinerie", wie sie die "Bewegung gegen den Rassismus und für die Freundschaft zwischen den Völkern" (MRAP) nennt, haben sich etliche Organisationen, Parteien und Gewerkschaften dem Aufruf der "Papierlosen" (sans papiers) zu einer Demonstration am Samstag in Paris angeschlossen.