Wer zahlt für Sanierung von Asse II?

Der Inventarbericht stützt die Vorwürfe, dass der größte Teil der Radioaktivität aus dem Atomkraftwerk in Obrigheim stammt

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Berechnungen von Greenpeace auf Basis eines Inventarberichts zeigen, dass gut zwei Drittel der Radioaktivität in dem maroden Atommüll-Lager Asse II auf das Konto der kommerziellen Stromerzeugung gehen. Offiziell räumen die Stromkonzerne bisher nur ein, für einen kleinen Teil der eingelagerten Strahlenbelastung verantwortlich zu sein. Mit der Argumentation geht es vor allem darum, die Milliardenkosten für die Sanierung des absaufenden "Versuchs-Endlagers" auf die Steuerzahler abzuwälzen (Ratlos in der Krise).

Die Umweltorganisation Greenpeace hat auf Basis eines Inventarberichts aus dem Jahr 2002 vorgerechnet, dass nur knapp 23 % der in der Asse eingelagerten Radioaktivität aus Forschungsreaktoren stammen. Dagegen kämen fast 72 % aus Atomreaktoren zur Stromerzeugung. Greenpeace bezieht sich dabei auf einen Bericht des GSF-Forschungszentrums für Umwelt und Gesundheit, Vorgänger des heutigen Helmholtz Zentrum München, der im Jahr 2002 erstellt wurde . Es handelt sich um den "Abschlussbericht" mit dem Titel: "Bestimmung des nuklidspezifischen Aktivitätsinventars der Schachtanlage Asse".

Aus Hubert Manias Artikel zur Geschichte von Asse 2: Die weißen Sümpfe von Wittmar

Der Bericht gebe "Aufschluss über Ort, Ausmaß und Zusammensetzung der vorhandenen Radioaktivität und informiert ausführlich über die Herkunft des Atommülls" schreibt Greenpeace. Demnach stamme der in der Asse eingelagerte radioaktive Müll vor allem aus den Atomkraftwerken der großen Energiekonzerne EnBW, RWE, Vattenfall.. "Diese Zahlen widerlegen die bisherige Darstellung der Atomindustrie, Atommüll aus privatwirtschaftlicher Quelle sei nur in geringen Mengen in die Asse verklappt worden", so Greenpeace.

Wie schon zuvor vermutet, stammt der überwiegende Teil aus dem Atomkraftwerk Obrigheim, der von EnBW betrieben wird. EnBW habe mit rund 63 % den weitaus größten Teil der gesamten Radioaktivität in dem Salzstock zu verantworten. Der Müll aus Atomkraftwerken von RWE summiere sich auf knapp 6 % und von Vattenfall auf gut 2 %. Das Deutsche Atomforum erklärt stets, nur 20 % der Radioaktivität in der Asse stammten aus ihren Kraftwerken.

Die Differenz ergibt sich daraus, dass der Atommüll zunächst meist zum Forschungsgegenstand umdefiniert wurde und einen Umweg über das Forschungszentrum Karlsruhe genommen hat. Dort ließ der Bund einst Möglichkeiten zur Wiederaufbereitung abgebrannter Kernbrennstäbe erforschen. Der Atomexperte von Greenpeace, Heinz Smital, wirft den Stromkonzernen vor, zu "tricksen und täuschen". Es ginge nun vor allem darum, die Kosten auf den Steuerzahler abzuwälzen, obwohl die Konzerne von der "billigen Atommüllkippe" profitiert hätten.

Damit bezieht sich Smital auf die Novelle des Atomgesetzes. Nach dem Bundestag verabschiedete am 13. Februar auch der Bundesrat die Reform, womit der Weg frei ist, die Kosten für die Asse komplett beim Bund abzulagern. Nach dem Verursacherprinzip müssten die Stromkonzerne nach den vorliegenden Daten für gut mehr als zwei Drittel der Kosten aufkommen, die mit mindestens 2,5 Milliarden Euro veranschlagt werden.

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) versucht angesichts des Widerstands vor den Wahlen im Sommer nun einen Schwenk. Plötzlich will er doch die Konzerne an den Kosten für die Schließung des Lagers beteiligen. Nach der Verabschiedung des Gesetzes sagte er, es sei der Allgemeinheit nicht zuzumuten, die Kosten alleine zu tragen, und nannte das Vorgehen der Atomwirtschaft "Schadenssozialismus". Gabriel kündigte am vergangenen Freitag an, die SPD werde in der nächsten Legislaturperiode auf die Einführung einer Brennstoffsteuer für Uran drängen, falls sich die Energiekonzerne nicht zu freiwilligen Zahlungen bereit erklärten. Eine rechtliche Handhabe gebe es dafür aber bisher nicht.

Gabriel schloss derweil die Bergung der mittelradioaktiven (MAW-)Abfälle aus dem Salzstock aus: "Das ist nicht mehr Gegenstand der weiteren Untersuchungen." Die etwa 1.300 Fässer mit mittelaktivem Müll seien für die Langzeitsicherung "das geringere Problem". In einer Stellungnahme des Ministeriums heißt es, ihre Rückholung sei unter dem Gesichtspunkt der Langzeitsicherheit nicht zu empfehlen, "da die MAW-Abfälle nach Einschätzung der Experten nur eine untergeordnete Bedeutung für das Risiko für Mensch und Umwelt haben". Die Flutung der Asse, wie vom Helmholtz-Zentrum vorgeschlagen worden war, wird als "ultima ratio"-Option genannt.